BZRK Reloaded (German Edition)
nicht aus. Er nickte und sagte: »Ja. Das möchten wir alle beide, Kleines. Aber jetzt lass uns erst einmal ganz schnell von diesem schwimmenden Albtraum herunterkommen.«
Minako zählte. »Eins.« Die erste Primzahl. »Zwei.« Die zweite. »Drei, vier«, eine schlechte Zahl, die man schnell hinter sich bringen musste, um »fünf« zu erreichen.
»Stoße dich so weit wie möglich ab und schwimme vom Schiff weg.«
»Sechs«, eine sehr schlechte Zahl.
»Ich bin hinter dir.«
»Sieben«, sagte sie und sprang.
Im Fallen wirbelte sie herum und sah ein graues Schiff mit spitzem Bug, um einiges kleiner als das Puppenschiff. Vom Deck des kleineren Gefährts stieg eine Rauchwolke auf.
Minako platschte ins Wasser, bevor der Kanonenschuss zu hören war.
Noch immer glitt sie im kalten, fast undurchsichtigen Wasser hinab und weiter hinab, als sie den Einschlag der Granate vernahm, die das Puppenschiff knapp über der Wasserlinie traf. Die Schockwelle war gewaltig, aber nicht tödlich.
Strampelnd und rudernd arbeitete sie sich zum Licht hinauf. Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor, bis sie zur Oberfläche gelangte, und als sie schließlich auftauchte, war das Puppenschiff schon fast an ihr vorbei.
Minako schnappte nach Luft und trat Wasser, während das chinesische Schiff ein zweites Mal feuerte und eine zweite Explosion zu hören war.
Zwanzig Meter weiter tauchte Silver auf und sah sich panisch nach ihr um. Sie rief: »Hier bin ich!«, worauf er auf sie zu schwamm.
Ein drittes Geschoss, eine dritte Detonation, doch nun geriet das chinesische Schiff in Gefahr, zwischen dem Puppenschiff und der Küste aufgerieben zu werden. Es drosselte die Geschwindigkeit, und das Puppenschiff, das zwar beschädigt war, aber noch immer ungebremst weiterpreschte, zermalmte eine Jacht.
Direkt vor ihm erhob sich eine Wand aus Wolkenkratzern.
Mittlerweile sprangen auch andere Leute von Bord und landeten im Wasser.
Von der viel zu nahen Küste drangen Sirenen an Minakos Ohr. In gerader Richtung lag ein Kreuzfahrtschiff im Hafen, hinter dem sich eine Reihe vierzigstöckiger Gebäude erhob, die unmittelbar ans Wasser gebaut waren.
»Es hält direkt auf die Häuser zu!«, rief Minako.
»Ja«, sagte Silver. »Das ist Harbor City. Ein großes Einkaufszentrum, Bürogebäude, Hotels … Gott steh ihnen bei.«
Die chinesischen Polizeiboote hatten nun hinter dem Puppenschiff beigedreht. Der Hafen wurde von heftigem Maschinengewehrfeuer, von jähen Kanonenschüssen und den Funken sprühenden Einschlägen auf dem Heck des Flüssigerdgastankers erhellt.
Das Puppenschiff wurde langsamer und sackte ab, doch es war nun nur noch eine Viertelmeile vom Kollisionspunkt entfernt, fuhr immer noch mit zehn Knoten, und es gab nichts, was es hätte aufhalten können.
Helen Falkenhym Morales war zuvor nur einmal in der National Cathedral gewesen, bei der Beerdigung eines Mitglieds des Obersten Gerichtshofs. Das war vor zwei Jahren gewesen, und damals hatte sie dem Ort und seinem Aussehen wenig Beachtung geschenkt. Das Gebäude stand im Norden der Wisconsin Avenue, jenseits des Naval Observatory, in einer für diese Stadtlage überraschend grünen Umgebung.
Die Kathedrale selbst hätte direkt aus dem europäischen Mittelalter hierher versetzt sein können. Von außen war sie eine stachelige Angelegenheit, einem Igel nicht unähnlich, sofern ein Igel gotisch sein konnte.
Da sie spät dran waren, wurde die Präsidentin nicht durch ein sicheres Seitenzimmer geführt, sondern der Geheimdienst gestattete ihr, die Kirche wie eine normale Besucherin durch den Haupteingang zu betreten. Jeder in der Kirche – und sie war mit Menschen vollgestopft – war natürlich kontrolliert worden, und es handelte sich ohnehin um Kongressmitglieder, Senatoren, Mitarbeiter des Weißen Hauses, wichtige Geldgeber, ausländische Premierminister, First Ladies und First Gentlemen und andere vertrauenswürdige Personen. Ein Meer aus schwarzen Anzügen, schwarzen Kleidern und düsteren Gesichtern.
Die Bank der Präsidentin war in der ersten Reihe. Ihr kam es wie eine lange Wanderung vor, zwischen den massiven Säulen hindurch, unter dem hohen Gewölbe, an den Leuten vorbei, deren Blicke ihr folgten, deren Blicke immer auf der Präsidentin hafteten. Und natürlich die Kameras, diskret auf Stativen montiert: eine auf den Altar gerichtet, eine, die ihr ferngesteuert folgte, und eine, die im Kirchenschiff geschwenkt wurde, um die eine oder andere Berühmtheit herauszupicken.
Doch es konnte
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