C14-Crash
wiesen mit Hilfe eines
von W.F. Libby bereits 1933 entwickelten »Screen-Wall«-Zählers in der zu
CaCO3 umgewandelten Kohlenstoffprobe neuerzeugten radioaktiven Kohlen-
stoff C14 nach.
Nur um sicherzugehen, daß dagegen der Neutronenbeschuß von Stickstoff
keinen quantitativen Beitrag zur Erzeugung von C14 erbringen könne, wurde
ein entsprechendes Ausschließungsexperiment mit einer gesättigten Ammoni-
umnitrat-Lösung gemacht. Zur Überraschung aller Beteiligten brachte bereits
eine kleine Menge des bestrahlten Stickstoffs den Zähler an den Anschlag.
Binnen kurzem – nämlich bis Februar 1940 – konnten die beiden Forscher
zeigen, daß die Bestrahlung von Stickstoff mit thermischen (d.h. langsamen)
Neutronen bei weitem die größte Ausbeute an radioaktivem Kohlenstoff C14
6. Die Entdeckung und Entwicklung der C14-Methode
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erbringt und zusätzlich auch, daß die Halbwertszeit des Isotops deutlich grö-
ßer als 1.000 Jahre – im Bereich zwischen 1.000 und 100.000 Jahren liegend
– sein muß [Kamen 1985, 122-146].
Wenige Monate zuvor hatte S.A. Korff den zweiten wesentlichen Beitrag
geliefert, um die chronometrische Gretchenfrage aufwerfen zu können: »Kann
das Alter von organischen Überresten durch Vermessung ihres C14-Gehaltes
bestimmt werden?« Denn Korff war angetreten, das Vorkommen von Neutro-
nen in der kosmischen Strahlung, die die Erde trifft, nachzuweisen. Dazu ent-
wickelte er ein Spezialzählrohr und griff sogar auf Vorarbeiten von Libby zu-
rück, der mit Boron-Trifluorid als Zählgas experimentiert hatte.
Korff schickte sein speziell für Neutronen entwickeltes Zählrohr mit ei-
nem Ballon in die höheren Atmosphärenschichten, und fand einen Anstieg
der Neutronendichte bis hin zu einer Höhe von 16 Kilometern und eine rapide
Abnahme oberhalb dieser Höhe. Wenn also Neutronen mit der kosmischen
Strahlung eintrafen, dann mußten sie in den oberen Atmosphärenschichten
sukzessive immer weiter abgebremst werden, bis diese von seinem Zählrohr,
das selektiv auf Partikel bestimmter Energie ansprach, detektiert werden
konnten. Er notierte, daß dieser Abbremsungsprozeß auch dazu führen müsse,
daß in bestimmten Schichten Stickstoffatome nun von Neutronen zu C14 um-
gewandelt würden [Korff/Danforth 1939].
Während die Zyklotrontechnik die Möglichkeit der künstlichen Erzeu-
gung von Isotopen versprach, ergab sich hier in der Literatur der erste Hin-
weis auf natürlich vorkommendes C14. Libby hatte im Nachhinein immer be-
tont, daß die Lektüre dieses Artikels einer der entscheidenden Auslöser für
die Entwicklung der Datierungsmethode mit Hilfe des C14 gewesen sei: »Mit
der Lektüre von Korff’s Veröffentlichung wußte ich es: Das war die C14-Me-
thode« (Libby in einem Interview 1979; nach Taylor [1987, 151]).
Nun sollte der Kriegseintritt der USA und die Entscheidung für die Ent-
wicklung und den Bau der Atombombe die amerikanischen Chemo- und
Atomphysiker für die nächsten 5 Jahre von allen praktischen Arbeiten in die-
ser Richtung abziehen und nur noch Raum für Spekulationen und intellektuel-
le Gärungsprozesse lassen. Die Basis der C14-Methode war einfach genug,
wie Libby in einer Reminiszenz 1970 nonchalant betont hatte: Es mußte auf-
grund der Einwirkung der kosmischen Strahlung auf die Erdatmosphäre eine
gewisse C14-Ausbeute pro Quadratzentimeter Erdoberfläche geben. Da dies,
so Libby, seit Zehntausenden von Jahren gleichbleibend vor sich gegangen
sei, müsse auch umgekehrt ein gleich starker Zerfall von C14 pro Quadratzen-
timeter Erdoberfläche stattfinden.
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C14-Crash
Libby nannte die Zahl von zwei neu entstandenen C14-Atomen pro Se-
kunde und Quadratzentimeter, die seinerzeit offenbar aus den bekannten
Randbedingungen mit Hilfe kernphysikalischer Modelle berechnet worden
war. Da andererseits das Vorkommen des Kohlenstoffs im Mittel mit 8
Gramm je Quadratzentimeter Erdoberfläche abgeschätzt werden konnte, war
zu erwarten, daß in 8 Gramm reinen Kohlenstoffs je Sekunde 2 Zerfallsereig-
nisse registriert werden sollten. »Von dieser Konzentration an Radiokarbon
konnten wir also ausgehen und es war nunmehr unsere Aufgabe, sie nachzu-
weisen« [Libby 1970a, 2]. Erst wenn dieser Nachweis gelungen war, konnte be-
gonnen werden, über die Interpretation noch geringerer Konzentrationen in
historischen organischen Proben nachzudenken.
Mehrere Dinge waren zu tun, wenn diese »verrückte, jenseits jeder
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