C14-Crash
kalkulierbar
An einer archäologischen Probe wird die »Restkontamination« mit C14 gemes-
sen. Diese kann während ihrer Lagerzeit erheblich durch Austausch mit angren-
zenden Kohlenstoffreservoiren verändert worden sein. Unter der Annahme, daß
dies nicht geschehen sei, bzw. daß etwaige Einflüsse »korrigiert« werden konn-
ten, ist nunmehr ihre radiometrische Vergangenheit exakt rückrechenbar. Die
radiometrische Vergangenheit der Atmosphäre ist dagegen nur anhand lauter
C14-vermessener Proben bekannten Alters rekonstruierbar. Das Alter der Pro-
be kann dann aus Übereinstimmungen von kalkulierter und rekonstruierter Ver-
gangenheit ermittelt werden. Es basiert somit auf sehr vielen Unwägbarkeiten
und erstaunlich wenigen Gewißheiten.
6. Die Entdeckung und Entwicklung der C14-Methode
217
b) der Organismus das angebotene Jod auf zunächst unbekannte Weise in je
6.4 Zwar kann die
Kontaminationsge-
unterschiedlichen Mengen aufnimmt.
schichte der Probe
theoretisch exakt
zurückgerechnet
werden, nicht je-
Deshalb gilt auch umgekehrt: Aus dem Maß der aktuellen Radioaktivität
doch die der At-
mosphäre, die für
könnte nur bedingt auf den Zeitpunkt der erfolgten Kontamination geschlos-
eine Kalibrierung
aber bekannt sein
sen werden, da der Vorgang der Verarbeitung der Tracer grundsätzlich unge-
muß. Nicht nur
Meßfehler, son-
klärt ist. Solange nur mit kurzlebigen Radioisotopen operiert wird, spielt die-
dern auch mögli-
che Fehler bei die-
se Unsicherheit aber keine Rolle, da innerhalb weniger Tage »neu aufgesetzt«
ser Rekonstruktion
sind am Ende zu
werden kann. Aus guten Gründen macht die Radiologie einen Bogen um die
berücksichtigen.
Rekonstruktion zeitlicher Abläufe, sondern begnügt sich bei der Untersu-
chung ausschließlich um die Abbildung von Momentanzuständen.
Die C14-Methode ist dagegen zwar in der Lage, den zeitlichen Verlauf
der Höhe der Kontamination in der fraglichen Probe exakt rekonstruieren zu
können – sofern keine zusätzliche Kontamination bzw. Dekontamination
während der entsprechenden Lagerzeit aufgetreten ist. Der Anspruch jedoch,
denselben Verlauf auch für die Atmosphäre vorhersagen zu können, mußte
scheitern, da die Atmosphäre einen Stoffwechsel aufweist, der zu unvorher-
sagbaren zeitlichen Änderungen der Kontamination führt (Bild 6.4 ). Mithin
muß der Verlauf der atmosphärischen Kontamination komplett rekonstruiert
werden. Wir haben gezeigt, daß die Erarbeitung dieser Chronologie auf unzu-
treffenden Vorhersagen über das Verhalten der Natur gegründet wurde und
deswegen zu falschen Ergebnissen geführt hat.
Die Radiologie würde es ablehnen, die Kontaminationsgeschichte des Pa-
tienten mit ins Kalkül zu ziehen, weil diese von dem Stoffwechselverhalten
des Patienten abhängt, derentwegen die radiologische Untersuchung ja gerade
veranstaltet wird. Die Übernahme von Kontaminationen wird vermieden, da
sie den Fehler bis zur Nicht-Signifikanz des Ergebnisses erhöhen können. Die
C14-Methode kennt – im Rahmen gewisser Fehler – zwar das Stoffwechsel-
verhalten der Proben, insoweit es sich auf die Isotopenfraktionierung zu Leb-
zeiten einerseits und den exponentiellen Verlauf der Aktivitätsabnahme wäh-
rend der Lagerzeit bis zur Probengewinnung andererseits bezieht. Kontamina-
tionen während dieser Lagerzeit können dagegen allenfalls abgeschätzt wer-
den.
Um zu einem Datum zu kommen, muß zusätzlich die komplette Kontami-
nationsgeschichte der Atmosphäre als Referenz für die gemessene Restaktivi-
tät der Probe vorliegen. Da die atmosphärische Kontamination mit C14 ört-
6.4
lich verschiedenen Einflüssen unterliegt (Diffusion an Systemgrenze Oze-
an/Atmosphäre), kann im übrigen auch nur von einer örtlichen Referenz aus-
gegangen werden.
218
C14-Crash
6.5 Frühe Phasen der Entwicklung der C14-Methode
Dieses Bild zeigt eine Zusammenstel ung der wichtigsten Ereignisse und der mit
ihnen verbundenen Wissenschaftler, die Einfluß auf die Entwicklung der C14-Me-
thode gehabt haben [nach Taylor 1987, 148].
6. Die Entdeckung und Entwicklung der C14-Methode
219
Auf den Punkt gebracht kann man sagen, daß die C14-Methode an dem
gescheitert ist, von dem sich die Radiologie ihrerseits aus guten Gründen fern
hält: an der zeitlichen Rekonstruktion einer Kontamination, über deren Vor-
kenntnis man sich offensichtlich Täuschungen hingegeben hatte. Man ging
von Quasikonstanz aus,
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