C14-Crash
zur
Aufnahme eines entsprechend aufbereiteten Kohlenstoff-Films wären nur mit
einer Hintergrundstrahlung von über 4.000 Zählereignissen pro Minute zu be-
treiben gewesen, wobei gleichzeitig nur etwas mehr als 40 Zerfallsereignisse
aus dem Kohlenstoff-Film selber zu erwarten gewesen wären. Das war ein ab-
surdes Verhältnis, ohne die geringste Chance zu lassen, die Radioaktivität des
224
C14-Crash
6.6 Das Prinzip der »Anti-Koinzidenz«
Libby fand eine genial einfache und zugleich äußerst wirksame Lösung, die Aus-
wirkung der kosmischen und terrestrischen Hintergrundstrahlung zu unterdrük-
ken. Auf die innere Oberfläche des großen Zylinder ist ein dünner Film aus mög-
lichst reinem Kohlenstoff aufgebracht, der aus der zu untersuchenden Probe ex-
trahiert worden ist. Die von einem radioaktiv zerfallenden C14-Atom ausgesand-
te Betastrahlung (ein Elektron) wird innerhalb des Zylinders detektiert (B - B’),
während die Wirkung anderer Partikel, die durch das große Zählrohr treten,
auch von den ringförmig um den großen Zylinder angeordneten kleinen Zählroh-
ren registriert (A - A’) und folglich unterdrückt werden können (vergleiche auch
Bild 6.7 ).
Verunreinigungen des Gases im großen Zählrohr oder des Kohlenstoff-Films
durch Kontamination im Labor (bzw. bereits während seiner Lagerzeit) bleiben
von dieser Maßnahme al erdings unberührt und müssen sorgfältig vermieden
bzw. – so weit es überhaupt geht – rückgängig gemacht werden. C14 ist nur in
Spuren dem C12 (~99%) bzw. C13 (~1%) beigemengt – sein Anteil am Gesamt-
kohlenstoff beträgt lediglich 1.5 • 10-10 % – und produziert eine Zerfal srate, die
gegenüber Isotopen mit einer Halbwertszeit, die in Tagen (und nicht in Jahrtau-
senden) gemessen wird, zusätzlich um den Faktor 1 Million niedriger ausfällt
(Textbox 6.2 ). Die Unterdrückung der Hintergrundstrahlung gelang anfänglich
nur bis zur Größenordnung des zu messenden Signals selber. Die Summe der
Fehlerquel en war so groß, daß Libby und seine Mitarbeiter das für die Eleganz
der Methode so wichtige Fundamentalprinzip – zeitlich und global gleichförmige
C14-Konzentration – aus den erzielten Meßergebnisse herausfiltern zu können
glaubten.
6. Die Entdeckung und Entwicklung der C14-Methode
225
Kohlenstoffs auch nur qualitativ nachzuweisen [Libby 1970a, 4]. Wir erwähnen
in diesem Zusammenhang eine Faustregel der Radiologie, wonach für ver-
trauenswürdige Messungen am Patienten die Hintergrundstrahlung sich unter-
halb von 10% des Niveaus der eigentlich interessierenden Strahlung bewe-
gen muß [zum Winkel 1975, 56].
Der erste Schritt zum wenigstens qualitativen Nachweis der Radioaktivität
modernen organischen Kohlenstoffs war für Libby und seinen Kollegen An-
derson schon schwer genug. Und zum wiederholten Male sollte die Medizin-
technik Geburtshilfe leisten. Libby hatte einen alten Freund aus Kriegstagen
während des »Manhattan Projects«, den Arzt A.V. Grosse, der in der Nähe
von Philadelphia in einem Isotopen-Labor für die Krebsforschung arbeitete.
Dort wurde mit dem Isotop C13 als Tracer gearbeitet. Für die Gewinnung
dieses Isotops verfügte man über eine höchst kostspielige Anreicherungsanla-
ge.
Libby schaffte es, diese Verbindung für sein Projekt zu nutzen, um seine
Idee, daß auf der Anreicherungsstrecke nicht nur dieses C13, sondern in glei-
cher Weise auch das eventuell vorhandene C14 mit angereichert werden
könnte, zu überprüfen. Anfang 1947 kam die Untersuchung in Gange. Die
Anreicherungsanlage war für Methan CH4 ausgelegt und so besorgte Dr.
Grosse höchstpersönlich das entsprechende Gas aus der städtischen Kläranla-
ge, in der Annahme, daß hier die größtmögliche Konzentration von C14 an-
zutreffen sei. Im Gegensatz dazu müßte Methan aus Erdgas frei von C14 sein,
da die Zwischenlagerzeit seit seiner Entstehung bis heute als ein Vielfaches
der Halbwertszeit angenommen werden konnte. Dieses Gas erhielt man von
der Sun Oil Company, dessen Präsident ein Freund von Dr. Grosse war.
Die Dinge nahmen ihren Lauf: »Dr. Grosse unternahm die stufenweise
Anreicherung des Methan aus der Abwasserkläranlage, was durch die Anrei-
cherung des C13 kontrolliert werden konnte, während Dr. Anderson und ich
das behandelte Methan nach jedem Anreicherungsdurchgang mit unserem
Proportionalzähler untersuchten, wobei wir das Ganze hinter der dicksten Ab-
schirmung vornahmen, die wir
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