C14-Crash
Kontakt mit Kalkstein kann zu erheblichen Datierungsunsicher-
heiten führen. Muscheln aus einem kalksteinhaltigen Stratum, das auf ein Al-
ter von 2.000 Jahren geschätzt werden konnte, wurden zwischen ca. 5.000
und 14.000 Jahren datiert [Deevey et al. 1959, 156]. Wenn während der Lagerzeit
die Oberfläche der Muschel angelöst wird und infolge erneuter Verfestigung
andere kohlenstoffhaltige Verbindungen eingelagert werden (»Rekristallisati-
on«), dann resultieren in der Regel ebenfalls starke Datierungsverschiebun-
gen, die kaum zu systematisieren sind [Grant-Taylor 1972; Vita-Finzi 1980, 766f.;
Goslar/Pazdur 1985; nach Taylor 1987, 50].
8.9
Ähnliche Probleme wie mit Muscheln gibt es für die anorganischen Antei-
le tierischer und menschlicher Knochen. Es zeigte sich schon sehr früh, daß
oftmals völlig anomale Isotopenverhältnisse vorlagen, die auf den Austausch
302
C14-Crash
mit dem Grundwasser an der Fundstelle zurückgeführt wurden [Taylor 1987,
54f.]. Abweichungen von über 10.000 C14-Jahren sind keine Seltenheit
[Irving/Harrington 1973; Nelson et al. 1986]. Die zufälligen Abweichungen zwischen
den einzelnen organischen Bestandteilen scheinen zwar geringer auszufallen,
doch können diese immer noch etliche Jahrhunderte und in einigen Fällen so-
gar mehrere Jahrtausende betragen [Taylor 1987, 61].
Jeder Objekttypus erfährt grundsätzlich seine eigene, sich im Laufe der
Zeit herausbildende und verfestigende Korrekturprozedur im Hinblick auf die
Fundstätte, die Art der Lagerung und die Probenentnahme. R.E. Taylor
spricht im Zusammenhang mit der Untersuchung von anderen Probenarten –
also keine Hölzer, Muscheln oder Knochen – auch nur noch von »C14-Schät-
zungen«. Im Zusammenhang mit Humus sowie Tuffgestein und anderen mi-
neralischen Ablagerungen wie z.B. Chilesalpeter spricht er von »extrem
schwankender« Radioaktivität und stellt die Nützlichkeit für archäologische
Untersuchungen grundsätzlich in Frage [Taylor 1987, 62]. Ähnliches gilt auch
z.B. für organische Überreste in oder an Keramiken. Insbesondere die Datie-
rung von Überresten in Mörsern hat zu Diskrepanzen zwischen 2.000 und
4.000 Jahren geführt [Stuiver/Smith 1965; Baxter/Walton 1970].
8.4.2 Identifizierung des Stratums, aus dem die Probe stammt
Nach R.E. Taylor's Ansicht [1987, 108] rührt die Mehrzahl der wirklich ernst-
haften Datierungsanomalien (»seriously anomalous 14C values«) aus Mißver-
ständnissen oder Irrtümern bei der Identifizierung und Beschreibung der Pro-
benumgebung bzw. -herkunft (dazu auch die Bilder 8.9 und 8.10 ). Datiert werde, so die berechtigte Warnung, die Probe und nicht die Schicht, mit der
sie in Verbindung stand bzw. womöglich irrtümlich in Verbindung gebracht
wurde. Wir befassen uns hier allerdings nur mit den Anomalien der Datierung
selber, weil wir die Unsicherheit des normalen Falls beziffern wollen. Nicht
nachzuvollziehen ist dabei die Bedeutung bzw. das Ausmaß »ernstlich an-
omaler« Werte gegenüber »normal anomalen Werten«, die dann offenbar oh-
ne weiteren Kommentar hingenommen werden.
In bestimmten Fällen wird die Inversion des C14-Alters mit zunehmender
Tiefe festgestellt, ohne aber die Integrität der Grabung in Frage stellen zu
können [etwa Ashmore/Hill 1983; Heske 1994, 95]. Die Verwunderung über dieses
Phänomen könnte angesichts der Tatsache, daß Dendrochronologen und C14-
Wissenschaftler dieses Verhalten innerhalb der Kalibrierkurven für durchaus
normal und charakteristisch halten, zur Ruhe kommen.
8. Verwässerung statt Verbesserung – noch mehr Fehler!
303
So stünde eigentlich auch für die Archäologen ein probates Mittel zur
Verfügung, ihre C14-datierten Schichten zeitlich präzise an den Kalibrierkur-
ven zu orientieren – wenn nicht aufgrund häufiger Diskrepanzen zwischen
den relativen C14-Datierungen einerseits und archäologischen Datierungen
andererseits die C14-Daten ohnehin mit spitzen Fingern angefaßt werden
müßten. Zu häufig haben Archäologen Anlaß, die Integrität von C14-Daten in
Frage zu stellen, als daß sie »normal anomale C14 Werte« vorbehaltlos als
Anlaß zur Kritik eigener Vorgehensweise nehmen müßten.
8.4.3 Probenaufbereitung
Eine zu datierende Probe muß von allen anhaftenden Dingen (insbesondere
natürlich solchen, die Kohlenstoff enthalten) befreit werden, die im Verdacht
stehen, nicht dasselbe historische Alter aufzuweisen. Da nur der Ausgräber
die
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