C14-Crash
Atmosphäre
auftreten. Damit kommt ein Flußterm ins Spiel, der tatsächlich weder zeitlich
noch örtlich als konstant angenommen darf und dessen Vernachlässigung die
Suche nach einem (angeblichen) Gleichgewichtszustand in die Irre leiten
muß.
Weder Libbys noch irgend ein anderes Modell kann auf ein selektives
Verschwinden des C14 vom Ort seiner Produktion in der oberen Atmosphäre
direkt in den Ozean oder in irgend ein anderes Reservoir bauen. Solange sich
das entstandene C14 relativ rasch mit Sauerstoff zu Kohlendioxid verbindet,
mischt es sich zwangsläufig mit dem »normalen« Kohlendioxid, das ein C12-
Atom enthält. Das bedeutet unmittelbar, das jedes Mehr an C14 – etwa durch
eine gestiegene Produktion – sich global in einer erhöhten Aktivität der
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C14-Crash
gleichzeitig lebenden Organismen widerspiegeln muß. Das Stichwort an die-
ser Stelle lautet »irreversible Vermischung«: Die Mischung des produzierten
C14 mit C12 – in Gestalt des Kohlendioxid – ist unwiederbringlich und des-
halb kann C14 unter keinen Umständen separat über die Systemgrenzen in die
Ozeane verschwinden. Es gibt an dieser Stelle mit Sicherheit auch keine ent-
sprechenden Isotopieeffekte. Während die Produktion (durch kosmische Be-
strahlung des Luftstickstoff N14) und Vernichtung (durch radioaktiven Zer-
fall) unabhängig von C12 (aber durchaus abhängig von der Stickstoffkonzen-
tration N14) abläuft, sind also die Zu- und Abflüsse stets zusammen, d.h. in
Mischung mit C12 zu betrachten.
Libbys Modell ohne Flußterme kennt demnach kein Sinken des atmosphä-
rischen C14-Gehaltes unter das Niveau, das in irgendeinem zuvor gestorbe-
nen Organismus – in dem die sprichwörtliche C14-Uhr tickt – herrscht. Die
Produktion kann beliebig abfallen (oder sogar auf Null gehen), dennoch muß
innerhalb des Libbyschen Modell ein Organismus immer ein niedrigeres
(oder höchstens gleiches) C14-Alter haben wie jederandere vor ihm gestor-
bene Organismus. Solange keine zusätzlichen Flußterme berücksichtigt wer-
den, hebt jede noch so geringe Produktion an C14 die aktuelle Aktivität des
atmosphärischen Reservoirs über die bereits am Sinken befindliche Aktivität
der vom Stoffwechsel ausgeschlossenen Reservoire.
Der einzige Weg, wie ein Organismus ein höheres C14-Alter aufweisen
kann als ein tatsächlich vor ihm gestorbener Organismus, besteht in der zwi-
schenzeitlichen Anreicherung der Atmosphäre mit Kohlendioxid, das entspre-
chend verarmt an C14 ist. Nur so kann das dendrochronologisch aufgedeckte
kurzfristige Schwanken der C14-Konzentration in der Atmosphäre erklärt
werden, das insbesondere einen periodisch wiederkehrenden retrograden (ge-
genläufigen) Verlauf des C14-Alters aufweist. Deshalb muß das Libbysche
Modell von Produktion und Zerfall des C14 durch Zu- und Abflüsse von at-
mosphärischen Bestandteilen mit unterschiedlichem C14-Gehalt erweitert
werden.
Es ist bezeichnend, daß diese Zusammenhänge niemals in Verbindung mit
den Grundlagen der C14-Methode gesehen werden. Insbesondere die europäi-
schen Dendrochronologen müßten diese Zusammenhänge aber brennend in-
teressieren, da sie ihre Eichenchronologien nach den C14-Mustern der ameri-
kanischen Bristlecone-Pine-Chronologie synchronisiert haben und dabei na-
türlich elementar auf die Gültigkeit des Simultanitätsprinzips angewiesen wa-
ren. Sind diese sich überhaupt der Brisanz bewußt, die für die Grundlagen der
C14-Methode in den von ihnen selbst offengelegten C14-Mustern liegt? Aus
dem tatsächlichen Ausmaß der Schwankungen des atmosphärischen C14 muß
9. Der radiometrische Tunnel – Kalibrieren? So nicht!
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geschlossen werden, daß die jeweilige atmosphärische Konzentration von
C14 nichtvon dem Zusammenspiel von C14-Produktion und C14-Zerfall be-
stimmt wird, sondern hauptsächlich von dem Zusammenwirken von C14-Pro-
duktion und ozeanischer C12-Eingasung (für das Ausmaß der Produktions-
schwankungen vergleiche beispielsweise Bilder 9.3-5 und ebenfalls 9.14 ).
Unser vorweggenommenes Fazit lautet: Der C14-Zerfall bildet gegenüber der
C12-Eingasung tatsächlich nur eine eher geringe Korrektur (1% Zerfall des
C14-Bestandes innerhalb von 83 Jahren) an dem von anderen Ursachen regu-
lierten C14-Anteil in der Atmosphäre.
Eine dendrochronologisch rekonstruierte Kalibrierkurve repräsentiert die
C14-Historie der Atmosphäre. Die veröffentlichten Kurven weisen nun über
ihre Länge
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