C14-Crash
ausgeprägter Weise für den fraglichen Zeitraum
vor. Hier zeigen wir das Diagramm (aus Hol stein [1980, 11]) der zeitlichen Be-
legdichte, d.h. der Anzahl der Holzproben, die E. Hollstein zum Aufbau der Mit-
teleuropäischen Eichenchronologie heranzog, das (im Jahre 1974 und auch noch
1980) zwei bemerkenswerte Minima im Abstand von etwa 330 Jahren aufweist
(vgl. Punkt 4). Je weniger Holz zur Verfügung steht, desto kleiner wird die Si-
cherheit gegen Irrtum beim Aufbau der Chronologie. Es ist offensichtlich, daß
sich die Dendrochronologen hier an den Stel en minimaler Belegdichte – etwa
um 350 und erneut um etwa 700 AD – der größten Gefahr eines Irrtums ausge-
setzt haben. Sie wagten nicht, in diesem Zeitraum unabhängig von der histori-
2.12
schen Chronologie zu datieren, weil das zur als absurd empfundenen Notwen-
digkeit hätte führen können, Jahrhunderte aus dieser zu streichen.
Deshalb schwächten die Dendrochronologen ihre Methoden so stark ab, daß
sie den vorgegebenen Chronologien der Historiker folgen konnten (nicht zuletzt
bedurften sie auch deren Anerkennung, um ihre Forschung weiterhin bezahlt zu
bekommen). Damit waren sie methodisch aber auch nicht mehr in der Lage, et-
waigen Widersprüchen zu C14-Daten die Stirn zu bieten.
96
C14-Crash
2.13 Absolutdatierung durch »wiggle-matching«
Das Bild veranschaulicht die Lage der postglazialen Eichenringchronologie für
Süddeutschland um 1980. Ursprünglich wurden die schwimmenden Chronologi-
en nach dendrochronologischen Charakteristiken sowie nach ihren konventio-
nel en C14-Altern angeordnet (oben), später dann (unten) nach Synchronlagen
ihrer jeweiligen C14-Muster gegenüber denen aus der amerikanischen Bristleco-
ne-Pine-Chronologie [Becker 1980, 220]. Im Vertrauen auf die jahrgenaue Treff-
sicherheit dieses »wiggle-matching« wurden die so entstandenen Lücken in den
folgenden Jahren nach und nach aufgefüllt.
2. Geschichtliches – die Chronologie des Skandals
97
nologie sie hingehört, dann könne » ... die a-priori-Wahrscheinlichkeit für das
2.16 Das »dendro-
chronologische Di-
Auffinden des richtigen Datums [d.h. die richtige Synchronlage] so klein wer-
lemma« besteht
darin, auf die Vor-
den, daß wenig Aussicht besteht, es auch wirklich zu finden«
datierung eines
[Hollstein 1970,
einzelnen Holzes
oder einer größe-
147]. Für E. Hollstein war die Erarbeitung einer Baumringchronologie ohne
ren Zahl bereits in
sich verzahnter
Vordatierung durch die Geschichtswissenschaft unseriös, barg eine Vorge-
Hölzer vertrauen
zu müssen, um
hensweise ohne diese Unterstützung doch die Gefahr einer Fehldatierung, in-
daraufhin solange
nach weiteren lük-
dem unter den nunmehr vieltausendfachen Möglichkeiten eine falsche »Syn-
kenfüllenden Höl-
zern zu suchen,
chronisierung« den Zuschlag bekommen könnte.
bis sich dieses
Vertrauen endlich
Die meisten Kollegen Hollsteins verließen sich dagegen bei der Vordatie-
als gerechtfertigt
herausstellt.
rung auf die C14-Methode, mit deren Hilfe man in Ermangelung jeglicher ab-
solutdatierbarer Holz-Artefakte bis ins frühe Postglazial vorstoßen wollte. H.
Schwabedissen [1983, 284] bemerkte allerdings, daß Untersuchungen von C14-
Physikern und Dendrochronologen allein nicht zum Ziel führen können, son-
dern »stets kompetente Archäologen« eingeschaltet sein müßten.
Wir teilen die Ansicht Hollsteins über die grundsätzlichen Schwierigkei-
ten, voraussetzungslos die Synchronlagen für eine Baumringsequenz zu er-
kennen: Ohne Vordatierung ist ein Erfolg bei der Synchronisierung generell
nicht zu haben. Die vorbehaltlose Anerkennung der historischen Chronologi-
en durch Dendrochronologen wie Hollstein, die ihre Synchronlagen beden-
kenlos dem Regime einer nach teils zweifelhaften Kriterien entstandenen
christlichen Zeitrechnung unterwerfen, lehnen wir dagegen ab. Wer auf die
Hilfe anderer Methoden zurückgreifen möchte, muß sich über deren Taug-
lichkeit informieren.
Bei dem Rückgriff auf historische Daten, die in den Kontext europäischer
Geschichte eingebunden sind, wähnt sich die Dendrochronologie absolut si-
cher. Es wird solange verglichen, bis das Auffinden einer adäquaten Syn-
chronlage gelingt. Dendrochronologen sprechen in diesem Zusammenhang
2.13
gerne von einer am Ende »geglückten« Synchronisierung (vergleiche dazu et-
wa Becker/Schmidt [1982, 104]), doch selbst eine ȟberzeugende
Weitere Kostenlose Bücher