C14-Crash
seit den Fünfziger Jahren des 20. Jahrhun-
derts. Ihm gelang sehr schnell für Eichen in Mitteleuropa zwei Baumring-
chronologien aufzubauen. Eine für die Römerzeit und eine für die letzten
1200 Jahre. Dazwischen klaffte eine Lücke, die sich einfach nicht schließen
lassen wollte. Der aufmerksame Leser ahnt schon, warum. Nicht vorhandene
Zeiten erzeugen keine Hölzer. Hollstein und seine Dendrochronologiekolle-
gen hatten ein Problem nicht ausreichend erkannt. Die Datierung von Hölzern
– also die richtige Zuordnung des Holzfundes zum Kunstbaum – gelingt nur,
wenn man in etwa vorher weiß, wohin der Holzfund zeitlich gesehen gehört.
Es gibt nämlich für fast jeden Holzfund eine viel zu große Zahl von Zufallsla-
gen, d.h. falschen Zuordnungen. Und die können nur über eine Vordatierung
vermieden werden. Im Klartext: Ohne Vordatierung – bei Hollstein also dem
Vorwissen aus von Historikern erstellten Chronologien – funktioniert die
Dendrochronologie nicht.
Der dendrochronologische Anschluß der Römerzeit wollte nicht gelingen,
doch die Baumringforscher wagten es nicht, die von den Historikern stam-
menden Vordatierungen anzuzweifeln. Also mußte man den Anschluß »ge-
waltsam« herstellen und die Lücke irgendwie füllen. Man tat das unter Aufga-
be der bisher einigermaßen anschaulichen und damit nachvollziehbaren Me-
thode der Dendrochronologie und durch die Einführung abstrakter statisti-
scher Kaküle und verkaufte das noch als Verbesserung der Methode. Das
schien es ja auch zu sein, gelang doch so der gewünschte Anschluß – tatsäch-
lich war eine Chance vertan, die mittelalterliche Chronologie Europas einer
Prüfung zu unterziehen. Nachdem die falsche Baumringchronologie stand,
war allen kommenden (Fehl-)Datierungen Tür und Tor geöffnet. Einmal im
Zirkelschluß zwischen falschen Vordatierungen (Vorgabe der Historiker) und
zerstörter Methode der Dendrochronologie (Zurückweichen der Dendrochro-
nologen vor den Forderungen der Historiker) war nun fast jedes gewünschte
Datum naturwissenschaftlich »beweisbar«. Dazu gehörte nicht nur das Füllen
der Lücke zwischen ca. 600 – 900 u.Z., sondern auch das Füllen von anderen
Lücken, z.B. in der alten Geschichte. Ganz besonders richteten wir unser Au-
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genmerk auf das dendrochronologische Füllen der Zeit, die vom Ende der
Eiszeit (deren Ursache bis heute unerkannt geblieben ist) bis zum Beginn der
historischen Zeit reicht, die angeblich vor etwa 2500 Jahren einsetzte. Die
Dendrochronologen haben nämlich auch für diesen langen prähistorischen
Zeitraum Baumringchronologien erstellt. Wie ist ihnen das gelungen? Genau-
er gefragt: Wie haben sie das Problem der Vordatierung gelöst? Historische
Daten gibt es nicht, wir befinden uns schließlich in der Prähistorie! Woher
konnten sie die existentiell notwendigen Vordatierungen bekommen?
Die C14-Methode kann Aufschluß über das Alter organischer Proben ge-
ben, denn je weniger C14-Atome in der Probe enthalten sind, desto älter muß
sie auch sein. Das Alter der Probe kann aber nur dann aus der Messung der in
ihr verbliebenen C14-Menge errechnet werden, wenn zu allen Zeiten und an
allen Orten der Erde der C14-Gehalt in der Luft (bzw. Im CO2) konstant war
und damit auch der C14-Gehalt in den jeweils lebenden Organismen. Diese
zuerst geglaubte und angesetzte Annahme erwies sich – nach bereits zehnjäh-
riger Anwendung der Meßmethode zur Datierung – um 1960 als falsch (siehe
Bild 9.12 ). Die bange Frage lautete damals: Wie (sehr) falsch?
Die Meßkurve, die die Falschheit der Annahme bewies und zur eben ge-
nannten Frage führte, war aus den Baumringen einer amerikanischen, sehr alt
werdenden Baumart abgeleitet worden. Konnte diese Meßkurve nicht als
Korrekturkurve benutzt und so die C14-Methode gerettet werden? Konnte
man diese Meßkurve nicht verlängern, um auch Korrekturen für die Zeiten
davor zu erhalten? Der aufmerksame Leser wird vielleicht schon ahnen, daß
und wie das Problem gelöst wurde, nämlich über einen neuerlichen Zirkel-
schluß: Es galt eine Baumringfolge aufzubauen, aus der die Korrekturkurven
für C14-Datierungen gewonnen werden sollten. Wie konnte man aber ohne
Vordatierung eine korrekte Baumringfolge aufbauen? Die C14-Methode, die
das als einzige hätte leisten können, galt doch nicht mehr. Doch, sagten die
Forscher, sie sei immer noch genau genug, um zur Vordatierung der Hölzer
dienen zu
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