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Cabal - Clive Barker.doc

Cabal - Clive Barker.doc

Titel: Cabal - Clive Barker.doc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Admin
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anderen Augenblick mehr als jetzt. Er schleuderte das Tuch, das er noch hielt, nach Decker, und warf sich dahinter zur Seite. Decker feuerte, der Schuß erfüllte das Zimmer mit Schall und Licht. Als das Tuch zu Boden fiel, schnellte Boone zur Tür. Als er einen Meter davon entfernt war, strahlte das Licht der Waffe wieder.
    Und einen Augenblick später der Knall. Und damit ein Schlag in Boones Rücken, der ihn nach vorne schleuderte, durch die Tür auf die Veranda.
    Deckers Ruf begleitete ihn. »Er ist bewaffnet!«
    Boone hörte, wie sich die Schatten vorbereiteten, ihn zur Strecke zu bringen. Er hob die Arme zum Zeichen des Ergebens, machte den Mund auf, um seine Unschuld zu bekunden.
    Die Männer, die hinter den Autos versammelt waren, sahen nur die blutigen Hände; Schuldbeweis genug. Sie feuerten.
    Boone hörte die Kugeln in seine Richtung rasen – zwei von links, drei von rechts, eine direkt von vorn, die auf sein Herz zielte. Er hatte noch Zeit, darüber nachzudenken, wie langsam sie waren und wie melodisch. Dann trafen sie ihn: Oberschenkel, Lenden, Milz, Schulter, Wange und Herz. Er stand mehrere Sekunden aufrecht; dann feuerte jemand noch einmal, und nervöse Finger an Abzügen lösten eine zweite Salve aus. Zwei dieser Schüs-se gingen vorbei. Der Rest traf: Unterleib, Knie, zwei in die Brust, einer in die Schläfe. Dieses Mal stürzte er.
    Als er auf den Boden fiel, spürte er, wie die Wunde, die ihm Peloquin beigebracht hatte, sich wie ein zweites Herz verkrampfte, und ihr Vorhandensein war in seinen letzten Augenblicken seltsam tröstlich.
    Irgendwo in der Nähe hörte er Deckers Stimme, und seine Schritte, die näher kamen, als er aus dem Haus kam, um den Leichnam zu untersuchen.

    60

    »Wir haben den Dreckskerl erwischt«, sagte jemand.
    »Er ist tot«, sagte Decker.
    »Nein, bin ich nicht«, dachte Boone.
    Dann dachte er gar nichts mehr.

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2. Teil
DER TOD IST EIN
    FLITTCHEN
    »Auch das Wunderbare wird geboren, hat seine Zeit und stirbt...«

    CARMEL SANDS
    Orthodoxies

    62

    VII
    Schwere Wege
    l
    Das Wissen, daß Boone sie verlassen hatte, war schlimm, aber was danach kam, war noch viel schlimmer. Zuerst natürlich dieser Telefonanruf. Sie hatte Philip Decker nur einmal gesehen und erkannte seine Stimme erst, als er sich identifizierte.
    »Ich fürchte, ich habe schlechte Nachrichten.«
    »Sie haben Boone gefunden.«
    »Ja.«
    »Ist er verletzt?«
    Eine Pause. Sie wußte, bevor das Schweigen gebrochen wurde , was als nächstes kam.
    »Ich fürchte, er ist tot, Lori.«
    Da waren die Neuigkeiten, die sie erwartet hatte, denn sie war zu glücklich gewesen, und das konnte nicht von Dauer sein. Boone hatte ihr Leben bis zur Unkenntlichkeit verändert. Sein Tod würde dasselbe bewirken.
    Sie dankte dem Doktor, daß er so freundlich gewesen war, es ihr zu sagen, anstatt der Polizei diese Pflicht zu überlassen. Dann legte sie den Hörer auf und wartete darauf, daß sie es glauben würde.
    Unter ihren Angehörigen gab es jene, die sagten, ein Mann wie Boone hätte ihr nie den Hof gemacht, wäre er bei geistiger Gesundheit gewesen, womit sie nicht mein -
    ten, daß seine Krankheit ihn blind wählen ließ, sondern daß ein Gesicht wie seines, das ein solches Schmeicheln bei allen auslöste, die für Gesichter empfänglich waren, 63

    sich in Gesellschaft von Schönheiten befunden hätte, wäre der Verstand dahinter nicht aus dem Gleichgewicht geraten gewesen. Diese Bemerkungen trafen tief, denn im Grunde ihres Herzens wußte sie, daß sie zutreffend waren. Boone besaß wenige Gaben, aber sein Gesicht war sein Schatz, es zu studieren, erforderte eine Hingabe, die ihn verlegen und unbehaglich stimmte. Es bereitete ihm kein Vergnügen, wenn er angestarrt wurde. Lori hatte sogar mehr als einmal befürchtet, er würde sich entstel-len, um zu verderben, was die Aufmerksamkeit auf ihn lenkte, ein Drang, den sein völliges Desinteresse an seinem Äußeren andeutete. Sie wußte, er verbrachte Tage ohne zu duschen, Wochen ohne sich zu rasieren, ein halbes Jahr ohne Haarschnitt. Was wenig dazu diente, seine Anhänger von ihm abzubringen. Er verfolgte sie, weil er selbst verfolgt war; so einfach war das.
    Sie vergeudete keine Zeit mit dem Versuch, ihre Freunde davon überzeugen zu wollen. Sie beschränkte Unterhaltungen über ihn auf ein Minimum, besonders wenn die Rede auf Sex kam. Sie hatte nur dreimal mit Boone geschlafen, und jedesmal war es eine Katastrophe gewesen. Sie wußte, was die Klatschbasen daraus

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