Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cabal - Clive Barker.doc

Cabal - Clive Barker.doc

Titel: Cabal - Clive Barker.doc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Admin
Vom Netzwerk:
sagte er und wandte sich an Lori. »Das war er. Ein verdammtes Tier.«
    Er reichte ihr das getönte Foto heftig zurück.
    »Verdammt gut, daß sie ihn weggepustet haben. Was haben Sie jetzt vor, die Stelle zu segnen?«
    Sie nahm ihm ohne eine Antwort die Fotografie aus den öligen Fingern, aber er deutete ihren Gesichtsausdruck hinreichend gut. Er setzte seine Tirade uneingeschüchtert fort.
    »So ein Mann gehört wie ein verdammter Hund erschossen, Lady. Wie ein verdammter Hund.«
    Sie wich vor seiner Vehemenz zurück, ihre Hände zitterten so sehr, daß sie kaum die Autotür aufmachen konnte.
    »Wollen Sie kein Benzin mehr?« sagte er plötzlich.
    »Scheren Sie sich zum Teufel«, antwortete sie.
    Er sah sie bestürzt an.
    »Was ist denn in Sie gefahren?« spie er zurück.
    Sie drehte den Zündschlüssel und betete, daß das Auto sich nicht totstellen würde. Sie hatte Glück. Sie fuhr mit hoher Geschwindigkeit davon, und im Rückspiegel sah sie den Mann in den Staub brüllen, den sie aufgewirbelt hatte.
    Sie wußte nicht, woher sein Zorn gekommen war, aber sie wußte, wo er sich austoben würde: bei den Kindern. Es hatte keinen Sinn, sich hier etwas vorzumachen. Die Welt war voll von brutalen Vätern und tyrannischen Müttern; und, wenn man schon dabei war, grausamen und gleich-70

    gültigen Kindern. So war das eben. Sie konnte nicht Polizei für die ganze Rasse spielen.
    Erleichterung über ihr Entkommen hielt zehn Minuten lang alle anderen Reaktionen auf Distanz, doch dann ließ sie nach, und ein so heftiges Zittern überkam sie, daß sie beim ersten Anzeichen von Zivilisation anhalten und eine Stelle suchen mußte, wo sie sich beruhigen konnte. Unter dem knappen Dutzend Geschäften befand sich auch ein Restaurant, dort bestellte sie Kaffee und ein süßes Stück Kuchen, dann ging sie auf die Toilette, wo sie sich kaltes Wasser auf die geröteten Wangen spritzte. Einsamkeit, obschon gestohlene, war der einzige Hinweis, den ihre Tränen brauchten. Als sie ihre fleckigen, aufgebrachten Züge in dem gesprungenen Spiegel betrachtete, fing sie sofort an zu schluchzen, und nichts – nicht einmal das Eintreffen einer anderen Kundin – konnte sie veranlassen, damit aufzuhören.
    Die Neuangekommene machte nicht das, was Lori in solch einem Fall getan hätte: sich zu entfernen. Statt dessen suchte sie Loris Blick im Spiegel und sagte:
    »Was ist der Grund? Männer oder Geld?«
    Lori wischte mit den Fingern die Tränen fort.
    »Verzeihung?« sagte sie.
    »Wenn ich weine...« sagte das Mädchen und strich mit einem Kamm durch das hennarote Haar. »...dann nur wegen Geld oder Männern.«
    »Oh.« Die schamlose Neugier des Mädchens half mit, weitere Tränen zurückzuhalten. »Ein Mann«, sagte Lori.
    »Hat dich verlassen, was?«
    »Nicht unbedingt.«
    »Mein Gott«, sagte das Mädchen. »Ist er zurückgekommen? Das ist noch schlimmer.«
    Diese Bemerkung erntete ein schwaches Lächeln von Lori.

    71

    »Normalerweise sind es die, die man nicht will, richtig?« fuhr das Mädchen fort. »Man sagt ihnen, sie sollen sich verpissen, und sie kommen immer wieder, wie Hunde...«
    Die Erwähnung von Hunden erinnerte Lori an die Szene bei der Tankstelle, und sie spür te wieder, wie Tränen flossen.
    »Ach, sei still, Sheryl«, schalt die Neuangekommene sich selbst. »Du machst alles nur noch schlimmer.«
    »Nein«, sagte Lori. »Nein, wirklich. Ich muß mit jemandem reden.«
    Sheryl lächelte.
    »So sehr wie ich Kaffee brauche?«
    Ihr Name war Sheryl Margaret Clark, und sie hätte Engeln Klatsch entlocken können. Nach der zweiten Stunde ihrer Unterhaltung und der fünften Tasse Kaffee hatte Lori ihr die ganze traurige Geschichte erzählt, von ihrer ersten Begegnung mit Boone bis zu dem Augenblick, als sie und Sheryl sich im Spiegel angesehen hatten. Auch Sheryl hatte eine Geschichte zu erzählen – eher eine Komödie als eine Tragödie –, von ihrem Liebhaber und dessen Leidenschaft für Autos, und von ihrer für seinen Bruder, was zu bösen Worte n und einer Trennung geführt hatte. Sie war unterwegs, um mit sich selbst ins reine zu kommen.
    »Das habe ich nicht mehr gemacht, seit ich ein Kind war«, sagte sie, »einfach weggegangen, wohin mich meine Laune getrieben hat. Vielleicht können wir zusammen Weiterreisen. Nach Shere Neck. Das habe ich schon immer einmal besuchen wollen.«
    »Stimmt das?«
    Sheryl lachte.
    »Nein. Aber es ist so gut wie jedes andere Ziel. Für den Vogelfreien sind alle Richtungen

Weitere Kostenlose Bücher