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Cabal - Clive Barker.doc

Cabal - Clive Barker.doc

Titel: Cabal - Clive Barker.doc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Admin
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irgend etwas, das banal und bere-chenbar war.
    Aber die Fliegen wollten in ihren Ohren summen. Sie versuchte, sie wegzuscheuchen. Aber sie kamen dennoch auf sie zu, ihre Flügel waren mit Tod bestreut, und er tropfte rot von ihren Beinen.
    »Laßt mich in Ruhe«, schluchzte sie. Aber ihre Aufregung zog sie in immer größeren Mengen an; als sie ihre Stimme hörten, stiegen sie in Schwärmen von ihrem Festmahl hinter dem Herd auf.
    Ihr Verstand bemühte sich, die Wirklichkeit zu erfassen, in die sie zurückgeworfen worden war, ihr Körper, sich umzudrehen und die Küche zu verlassen.
    Beide scheiterten, Verstand und Körper. Die Wolke der Fliegen näherte sich ihr, und ihre Zahl war mittlerweile so groß, daß sie wie die Dunkelheit selbst waren. Sie dachte vage daran, daß eine solche Vielzahl unmöglich war und ihr Verstand diesen Schrecken in seiner Verwirrung selbst erzeugte. Aber der Gedanke war so fern von ihr, daß er den Wahnsinn nicht zurückhalten konnte; ihre Vernunft griff danach und griff, aber jetzt war die Wolke über ihr.
    Sie spürte ihre Beine auf den Armen und im Gesicht, wo 188

    sie Spuren dessen hinterließen, worin sie gekrochen waren; Sheryls Blut, Sheryls Erbrochenem, Sheryls Schweiß und Tränen. Es waren so viele, daß sich nicht alle auf der Haut niederlassen konnten, daher drängten sie sich zwischen ihren Lippen hindurch und krabbelten ihr in die Nasenlöcher und über die Augen.
    Waren einst, in einem Traum von Midian, nicht die Toten als Staub aus allen vier Himmelsrichtungen zu ihr gekommen? Und hatte sie nicht inmitten des Sturms gestanden – liebkost, abgeschliffen – und war glücklich darüber gewesen, daß der Wind die Toten brachte?
    Jetzt kam der Gefährte dieses Traums: Entsetzen, nach der Pracht des ersten. Eine Welt der Fliegen als Gegen-stück zu jener Welt des Staubs; eine Welt der Verständnis-losigkeit und Blindheit, der Toten ohne Begräbnis und ohne Wind, der sie davontragen konnte. Nur Fliegen, die sich an ihnen labten, ihre Eier in sie legten und weitere Fliegen erzeugten.
    Und als sie Staub gegen Fliegen abwog, da wußte sie, wem sie den Vorzug gab; wußte, während sie völlig das Bewußtsein verlor, wenn Midian starb – und sie es geschehen ließ –, wenn Pettine und Gibbs und ihre Freunde die Zuflucht der Nachtbrut aushoben, dann würde es für sie, die von Midians Dasein berührt worden war und selbst eines Tages zu Staub werden würde, nichts geben, wohin sie getragen werden konnte, und würde mit Leib und Seele den Fliegen gehören.
    Dann fiel sie auf die Fliesen.

    189

    XVIII
    Der Zorn der Rechtschaffenen
    l
    Für Eigerman standen gute Einfalle und Ausscheidung in unzertrennlichem Zusammenhang; seine besten Gedanken kamen ihm, wenn die Hosen um die Knöchel baumel-ten. Er hatte mehr als einmal nach ein paar Gläsern allen, die ihm zuhörten, erklärt, wie der Weltfrieden und ein Heilmittel gegen Krebs über Nacht erreicht werden könnten: wenn die Weisen und die Guten sich einfach zusam-mensetzen und gemeinsam scheißen würden.
    Nüchtern hätte ihn der Gedanke abgestoßen, diesen intimsten aller Vorgänge öffentlich zu machen. Das Klo war ein Ort der Einsamkeit, wo alle, die unter der Bürde eines hohen Amtes stöhnten, sich ein wenig Zeit lassen und über ihre Bürde nachdenken konnten.
    Er las die Graffiti an der Tür vor ihm. Unter den Obszö-
    nitäten war nichts Neues, das war beruhigend. Immer wieder dasselbe alte Jucken, das gekratzt werden mußte.
    Das machte ihm Mut angesichts seiner Probleme.
    Die im Grunde genommen zweifacher Natur waren: Zuerst einmal hatte er einen Toten inhaftiert. Das war, wie die Graffiti, ein alter Hut. Aber Zombies gehörten ebenso in den Spätfilm wie Sodomie an eine Klowand. In der richtigen Welt hatten sie nichts verloren. Was ihn zu seinem zweiten Problem brachte: dem panischen Funk-spruch von Tommy Caan, der meldete, daß in Midian etwas Schlimmes vor sich ging. Während er darüber nachdachte, fügte er diesen beiden noch ein drittes hinzu: Doktor Decker. Er hatte einen fein en Anzug an und 190

    konnte fein reden, aber er hatte etwas Unangenehmes an sich. Bisher, bevor er auf dem Klo saß, hatte sich Eigerman seinen Argwohn selbst nicht eingestanden, aber als er nun darüber nachdachte, sah er es so deutlich wie seinen Schwanz. Der Dreckskerl wußte mehr als er sagte: Nicht nur über den Toten Boone, sondern auch über Midian und was sich dort abspielte. Wenn er die Besten von Shere Neck zum Narren hielt, dann

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