Cabal - Clive Barker.doc
würde so sicher wie ein Schiß die Zeit der Buße kommen, und er würde es bedauern.
Derweil mußte der Chef die Entscheidungen treffen.
Nach der Festnahme des Calgary-Killers hatte er den Tag als Held angefangen, aber sein Instinkt sagte ihm, daß die Lage sehr schnell außer Kontrolle geraten könnte. So viele Unbekannte waren im Spiel, so viele Fragen, auf die er keine Antworten wußte. Es gab natürlich einen einfachen Ausweg. Er konnte seine Vorgesetzten in Edmonton anrufen, damit sie sich um das ganze Schlamassel kümmern konnten. Aber wenn er das Problem abgab, verzichtete er auch auf den Ruhm. Die Alternative war, jetzt zu handeln und die Greuel von Midian auszumerzen – vor der Dunkelheit, hatte Tommy immer wieder betont. Und wie lange war das noch – drei, vier Stunden? Wenn ihm das gelang, konnte er seine Auszeichnungen verdoppeln. Er hätte an einem einzigen Tag nicht nur einen menschlichen Böse-wicht der Gerechtigkeit übergeben, sondern auch die Schlangengrube ausgehoben, in der er Zuflucht gefunden hatte: ein ansprechender Gedanke.
Aber die beantworteten Fragen hoben wieder ihre Köp-fe, und die waren alles andere als angenehm. Wenn man den Gutachten der Ärzte und den Berichten aus Midian Glauben schenken konnte, dann trafen heute Dinge zu, die er bisher nur in Märchen gehört hatte. Wollte er seine Kräfte wirklich mit wandelnden Toten und Wesen messen, die das Sonnenlicht umbrachte?
191
Er saß da, schiß und wog Möglichkeiten gegeneinander ab. Er brauchte eine halbe Stunde, aber schließlich gelangte er zu einer Entscheidung. Diese sah wie üblich sehr einfach aus, nachdem das Schwitzen vorbei war. Vielleicht war die Welt heute nicht ganz so, wie sie gestern gewesen war.
Morgen würde sie, wenn Gott wollte, wieder ganz die alte sein: die Toten tot, die Sodomie an den Wänden, wo sie hingehörte. Wenn er die Chance nicht nutzte, ein Mann des Schicksals zu werden, würde er keine zweite mehr bekommen, jedenfalls nicht bevor er so alt war, daß er nur noch seine Hämorrhoiden behandeln konnte. Dies war die ihm von Gott geschickte Gelegenheit, sein Können zu beweisen. Er konnte es sich nicht leisten, sie zu mißachten.
Er wischte sich von neuer Entschlossenheit erfüllt den Arsch ab, fummelte die Hosen hoch, zog die Spülung und trat hinaus, um sich erhobenen Hauptes den Herausforde-rungen zu stellen.
2
»Cormack, ich brauche Freiwillige, die mit mir nach Midian hinausfahren und graben.«
»Wann brauchen Sie sie?«
» Jetzt. Wir haben nicht viel Zeit. Fangen Sie in den Bars an. Nehmen Sie Holliday mit.«
»Was sollen wir ihnen als Grund sagen?«
Darüber dachte Eigerman einen Augenblick nach. Was sagen.
»Sagen Sie ihnen, wir suchen nach Grabräubern. Das wird hinreichend Empörung verursachen. Jeder mit einem Gewehr und einer Schaufel ist dabei. Ich möchte sie in einer 192
Stunde zusammengetrommelt haben. Früher, wenn Sie es schaffen.«
Decker lächelte, während sich Cormack auf den Weg machte.
»Sind Sie jetzt glücklich», fragte Eigerman.
»Es freut mich zu sehen, daß Sie meinem Rat gefolgt sind.«
»Ihrem Rat, Scheiße.«
Decker lächelte nur.
»Machen Sie, daß Sie hier verschwinden«, sagte Eigerman. »Ich muß arbeiten. Kommen Sie wieder, wenn Sie sich ein Gewehr beschafft haben.«
»Das könnte ich wirklich machen.«
Eigerman sah ihm nach, bis er gegangen war, dann griff er zum Telefon. Er überlegte schon seit er beschlossen hatte, nach Midian zu gehen, ob er diese Nummer anrufen sollte; eine Nummer, die er schon lange nicht mehr angerufen hatte, weil es nie einen Grund dafür gegeben hatte. Jetzt wählte er sie. Pater Ashberry war nach wenigen Sekunden am Telefon.
»Sie klingen außer Atem, Pater.«
Ashberry wußte auch ohne Namen, wer sein Anrufer war.
»Eigerman.«
»Beim ersten Mal erraten. Was haben Sie denn gemacht?«
»Ich war draußen, laufen.«
»Gute Idee. Schmutzige Gedanken ausschwitzen.«
»Was wollen Sie?«
»Was glauben Sie denn? Einen Priester.«
»Ich habe nichts getan.«
»Da habe ich etwas anderes gehört.«
»Ich zahle nicht, Eigerman. Gott hat mir meine Sünden vergeben.«
193
»Steht außer Frage.«
»Dann lassen Sie mich in Ruhe.«
»Nicht auflegen!«
Ashberry entging die plötzliche Angst in Eigermans Stimme nicht.
»Tss, tss«, sagte er.
»Was?«
»Sie haben ein Problem.«
»Vielleicht wir beide.«
»Was soll das heißen?«
»Ich möchte, daß Sie schnellstmöglich hierherkommen, mit allem, was Sie an
Weitere Kostenlose Bücher