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Cabal - Clive Barker.doc

Cabal - Clive Barker.doc

Titel: Cabal - Clive Barker.doc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Admin
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des Kindes willen. Aber sie wandten den Blick nicht ab. Auch als das Grauen vorbei war – und Ohnakas Leichnam in Stücken auf dem Weg verstreut lag
    – drückte sie das Gesicht gegen das Gitter, als wollte sie den Tod durch Sonnenlicht in allen Einzelheiten kennenlernen. Und auch Lori konnte nicht wegsehen, solange das Kind hinsah. Sie erlebte jedes Zittern in Babettes Gliedmaßen mit; schmeckte die Tränen, die sie zurückhielt, damit sie ihr den Blick nicht verschwimmen ließen.
    Ohnaka war tot, aber seine Henker waren noch nicht mit ihrer Aufgabe fertig. Das Kind beobachtete weiter, solange es noch etwas zu sehen gab.

    185

    Tommy versuchte, die Kotze von seiner Uniform abzu-wischen. Pettine kickte ein Bruchstück von Ohnakas Leichnam herum; Cas holte sich eine Zigarette aus Gibbs'
    Brusttasche.
    »Gib mir Feuer, ja?« sagte er. Gibbs griff mit einer Hand in die Hosentasche, um Streichhölzer zu angeln, ließ die rauchenden Überreste aber nicht aus den Augen.
    »So was hab' ich vorher noch nie gesehen«, sagte Pettine fast beiläufig.
    »Hast du dich diesmal vollgeschissen, Tommy?« sagte Gibbs.
    »Verpiß dich«, lautete die Antwort. Tommys blasse Haut war gerötet. »Cas hat gesagt, wir hätten den Chef anrufen sollen«, sagte er. »Er hatte recht.«
    »Was weiß Eigerman schon?« bemerkte Pettine und spuckte in den roten Staub unter seinen Füßen.
    »Habt ihr das Gesicht von dem Wichser gesehen?«
    sagte Tommy. »Habt ihr mitbekommen, wie er mich angesehen hat? Ich sage euch, ich war so gut wie tot. Er hätte mich fertiggemacht.«
    »Was geht hier vor?« sagte Cas.
    Gibbs hatte mit seiner Antwort beinahe recht. »Sonnenlicht«, antwortete er. »Ich habe gehört, daß es solche Krankheiten gibt. Die Sonne hat ihn erledigt.«
    »Ausgeschlossen, Mann«, sagte Cas. »So was hab' ich noch nie gehört oder gesehen.«
    »Nun, jetzt haben wir es gehört und gesehen«, sagte Pettine mit mehr als nur einem Anflug von Befriedigung.
    »Das ist keine Halluzination gewesen.«
    »Und was machen wir jetzt?« wollte Gibbs wissen. Er hatte Mühe, das Streichholz zwischen seinen zitternden Fingern zur Zigarette zwischen den Lippen zu führen.
    »Wir suchen nach weiteren«, sagte Pettine. »Und wir hören nicht auf zusuchen.«

    186

    »Ich nicht«, sagte Tommy. »Ich ruf den verdammten Chef an. Wir wissen nicht, wie viele von diesen Freaks hier sind. Es könnten Hunderte sein. Hast du selbst gesagt. Hier könnte sich eine verdammte Armee verstek-ken, hast du gesagt.«
    »Wovor hast du solche Angst,« antwortete Gibbs. »Du hast doch gesehen, was die Sonne mit ihm gemacht hat.«
    »Klar, und was passiert, wenn die Sonne untergeht, Klugscheißer?« war Tommys Antwort.
    Die Streichholzflamme verbrannte Gibbs die Finger. Er ließ es fluchend fallen.
    »Ich habe Filme gesehen«, sagte Tommy, »mit Kreaturen, die nachts herauskommen.«
    Wenn man Gibbs' Gesichtsausdruck glauben wollte, hatte er dieselben Filme gesehen.
    »Vielleicht solltest du wirklich Hilfe rufen«, sagte er.
    »Für alle Fälle.«
    Loris Gedanken sprachen hastig zu dem Kind.
    Du mußt Rachel warnen. Sag ihr, was wir gesehen haben.
    Sie wissen es bereits, antwortete das Kind.
    Sag es ihnen trotzdem. Vergiß mich! Sag es ihnen, Babette, ehe es zu spät ist.
    Ich will dich nicht verlassen.
    Ich kann dir nicht helfen, Babette. Ich gehöre nicht zu euch. Ich bin...
    Sie wollte den Gedanken zurückhalten, aber es war zu spät.
    ... normal. Die Sonne würde mich nicht umbringen, so wie dich. Ich bin ein Mensch. Ich gehöre nicht zu euch.
    Sie hatte keine Gelegenheit, diese hastige Antwort zu erläutern. Der Kontakt wurde auf der Stelle unterbrochen
    – der Anblick vor Babettes Augen verschwand – und Lori befand sich auf der Schwelle der Küche wieder.
    Das Summen von Fliegen dröhnte laut in ihrem Kopf.

    187

    Ihr Summen war kein Echo von Midian, sondern echt. Sie kreisten im Raum vor ihr. Sie wußte ganz genau, welcher Geruch hungrig und voller Eier hierher gelockt hatte; und sie wußte mit ebensolcher Sicherheit, daß sie es nach allem, was sie in Midian gesehen hatte, nicht ertragen könnte, auch nur noch einen Schritt auf den Leichnam am Boden zuzugehen. Es war zuviel Tod in der Welt, in ihrem Kopf und außerhalb. Wenn sie ihm nicht entkam, würde sie verrückt werden.
    Sie mußte wieder an die Luft, wo sie frei atmen konnte.
    Vielleicht eine harmlose Verkäuferin suchen, mit der sie sich über das Wetter oder den Preis von Damenbinden unterhalten konnte,

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