Cachalot
die letzte Stadt, die angegriffen worden war, hatte Mou’anui am nächsten gelegen. Ihre Nähe war gleichzeitig bequem und gefährlich, denn für Mataroreva, Hwoshien und die anderen, die dafür verantwortlich waren, daß die Bürger von Cachalot in Ruhe und Sicherheit leben konnten, deutete das auf wachsende Kühnheit seitens jener unbekannten feindlichen Macht hin, wer oder was auch immer sie sein mochte.
Als die zuletzt zerstörte Stadt würde sie mit der größten Wahrscheinlichkeit irgendwelche Hinweise oder Spuren liefern. Und wenn es zu Schwierigkeiten kam, dann konnten Gleiter von Mou’anui die Caribe schneller erreichen, als wenn sie beispielsweise am Liegeplatz von Te iti Turtle ankern sollte, das tausend Kilometer weiter draußen im Ozean lag.
Die Gedanken an Zerstörung, die Cora bewegten, als sie sich auf ihre Pritsche legte, erinnerten sie an Silvio. Und ihren Zusammenbruch. Rachael war fünf gewesen, als ihr Vater gestorben und ihre Mutter zusammengebrochen war.
Sie kannte beide nur vage. Irgendwann einmal würde Cora beides erklären müssen, ihr erklären, was wirklich geschehen war.
Mataroreva arbeitete auf der Brücke.
»Was machen Sie?« fragte Cora, als sie auf ihn zuging.
»Ah, guten Morgen, Schönheit.« Er blickte einen Augenblick von seiner Konsole auf und lächelte breit.
»Ganz einfach Cora genügt.«
»Okay, guten Morgen, ganz einfach Cora.« Er berührte einen Kontaktschalter. »Ich stelle die Stabilisatoren ein. Würde ja nicht gerade lustig sein, wenn wir ein paar Stunden mit Tauchen verbrächten, und dann wieder heraufkämen um festzustellen, daß das Schiff außer Sichtweite abgetrieben ist.«
»Stabilisatoren – dann sind wir also da?« Sie sah sich überrascht um. Der Ozean sah nicht anders aus, als sie ihn in den letzten Tagen stets zu Gesicht bekommen hatten.
»Mehr oder weniger. Ich muß mir eine Stelle aussuchen. Sehen Sie einmal nach unten.«
Das tat sie und trat dazu an die obere Reling, um ins Wasser zu spähen. Beinahe hätte sie das auf ein paar Tage das Augenlicht gekostet.
Einige Hexalatformationen wuchsen fast bis zur Oberfläche, und ihr reflektierter Glanz ließ sie blinzeln. Die Intensität war freilich nicht so stark wie der Sand eines Motu. Wenn man die Gewächse ganz oben nicht direkt ansah und die Augen zusammenkniff, konnte man ohne Schutzbrille ins Wasser sehen. Ein Ende des Riffs war nicht zu erkennen. Die Caribe schwebte darüber, trieb in einem Meer aus Smaragdgrün dahin. »Hier war also die Stadt?«
Er nickte. »Die Position ist von den ersten Booten festgehalten worden, die nach der Zerstörung hierher zurückkamen – die Überlebenden der Stadt, diejenigen, die bei der Arbeit draußen waren.« Er deutete nach unten, und sie entdeckte ein paar in weiten Abständen voneinander angebrachte schwimmende rote Flecken: markierte Bojen, von denen jede ihren eigenen Sender enthielt.
»Was machte die Stadt hier?«
»Das hier ist ein ziemlich umfangreiches, gut bekanntes Fischriff. Die Rorqualianer hatten es sich für Abbauzwecke eintragen lassen. Die Überlebenden deuteten an, daß die Stadt ihr Soll erfüllt hatte und sich bereits darauf vorbereitete, in wenigen Tagen nach der Katastrophe abzureisen. Aber das waren vorwiegend die Fischer. Sie wußten nicht genau, was in den Speichern der Stadt gesammelt wurde.«
»Und ebenso wie die anderen haben sie auch keine Leichen gesehen?«
Er schüttelte den Kopf. »Nicht einmal einen Finger. Man würde meinen, wenigstens einer oder zwei würden sinken oder unter umstürzenden Trümmern eingezwängt werden. Aber nichts.«
Sie starrte aufs Wasser hinaus. »Es fällt schwer, sich vorzustellen, daß hier jemals jemand gelebt hat.«
»Oh, die Stadt war hier.« Er ging auf die Leiter zu. »Ziehen Sie Ihren Schutzanzug an. Ich habe die Gegend selbst noch nicht erforscht, aber den Berichten nach soll es hier noch ziemlich viel Hinweise geben.«
Er war jetzt mit der Einstellung der Stabilisatoren und der automatischen Warnanlage fertig. Letztere Wurde hauptsächlich der Vorschrift halber aktiviert, da die beiden patroullierenden Orcas ein viel effizienteres Vorwarnsystem bildeten, als irgend etwas, das nur aus Stromkreisen und Empfängern bestand.
Cora war die erste, Rachael, Mataroreva und Merced folgten dicht hinter ihr. Sie hatte urwelthafte Schönheit erwartet, und das Riff sollte sie nicht enttäuschen. Riesige Hexalatköpfe, wie Bäume aus Kristall, erhoben sich aus dem sandigen Boden, während
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