Cäsar Birotteau (German Edition)
überzeugt, Herr Birotteau wird wenigstens einhundertvierzigtausend Francs für seine Wechsel schaffen...« Claparon warf dem Richter einen bezeichnenden Blick zu. »Ich bin heute nur gekommen, Herr Birotteau, um mir von Ihnen die Kleinigkeit von fünfundzwanzigtausend Francs auszubitten!«
»Fünfundzwanzigtausend Francs!« wiederholte Birotteau, den es eiskalt überlief. »Aber, Herr Claparon, wozu denn?«
»Wir sind gezwungen, die einzelnen Verträge mit den Vorbesitzern der Grundstücke notariell zu machen. Dazu kommen die Grundbucheinträge. Der Fiskus will natürlich bar Geld dafür sehen! Prosit Mahlzeit! Wir müssen ihm noch im Laufe dieser Woche vierundvierzigtausend Francs auf den Tisch des Hauses legen!«
»Was Sie sagen!« jammerte Cäsar laut auf.
»Es ist ein Elend, na freilich!« meinte Claparon. »Ich will Ihnen mal einen Vorschlag machen. Von den Wechseln, die mir Roguin von Ihnen gegeben hat, will ich für fünfundzwanzigtausend Francs nehmen und sie Ihnen zur Begleichung der Grundbucheinträge und sonstigen Kosten diskontieren. Ich werde Ihnen noch eine ins einzelne gehende Rechnung darüber schicken. Sie werden mir alsdann in der Sache noch sechs- bis siebentausend Francs schulden.«
»Das scheint mir alles seine Ordnung zu haben«, bemerkte Lebas. »An der Stelle dieses Herrn, der solche Sachen aus dem Effeff zu verstehen scheint, würde ich einem Fremden gegenüber ebenso verfahren.«
»Herr Birotteau begreift das nicht so schnell!« spottete Claparon. »Ein Elefant fällt nicht auf einen Schuß!«
»Ja, wer kann Schuftereien, wie sie Roguin begangen hat, voraussehen?« sagte Lebas. Er war überrascht und bestürzt, daß sich Birotteau in so riesige Spekulationen eingelassen hatte, die mit seinem Parfürneriengeschäfte gar nichts zu tun hatten.
»Wenn Sie meiner bedürfen«, sagte er zu ihm, »so stehe ich Ihnen ganz und gar zur Verfügung.«
»Herr Birotteau bedarf niemandes«, entgegnete ihm der unermüdliche Schwätzer, dem du Tillet die Schleusen aufgezogen hatte, nachdem er Wasser auf seine Mühle geleitet. Claparon betete nämlich nur nach, was ihm du Tillet geschickt eingetrichtert hatte. »Seine Sache ist klar. Wie mir der junge Crottat gesagt hat, wird Roguins Konkurs eine Dividende von fünfzig Prozent ergeben. Außer der ihm auf die unterschlagenen Gelder zufließenden Dividende rettet Herr Birotteau die vierzigtausend Francs der nicht rechtsgültig abgeschlossenen Hypothek. Er kann also eine Hypothek auf sein Eigentum irgendwo anders aufnehmen. In vier Monaten müssen wir eine erste Rate von bar Zweihunderttausend Francs an die Vorbesitzer unserer Grundstücke zahlen. Bis dahin wird Herr Birotteau schon Geld zu seinen Wechseln haben. Die von Roguin ohne Quittung unterschlagenen zweihundertzwanzigtausend Francs braucht er gar nicht. Wenn er aber wirklich ein wenig in der Klemme wäre... na, mit ein paar weiteren Wechseln wird er sich schon herausfitzen.«
Als Birotteau seine Lage derartig beurteilt und sozusagen den Plan zu seinem Verhalten vorgeschrieben sah, faßte er von neuem Mut. Er benahm sich fest und entschlossen. Der ehemalige Kommis dünkte ihn ein heller Kopf zu sein.
Du Tillet hatte es für Zweckmäßig erachtet, sich in Claparons Augen als ein Opfer Roguins hinzustellen. In Wirklichkeit war das keineswegs der Fall. Aber der geschwätzige Claparon spielte die ihm angewiesene Rolle vorzüglich, indem er jedem, der es hören wollte, vorpredigte, du Tillet habe an Roguin hunderttausend Francs eingebüßt. Du Tillet hielt Claparon nicht für sicher oder verdorben genug, um ihn in seine Pläne in ihrem vollen Umfange einzuweihen. Er wußte, daß er unfähig war, ihn zu durchschauen.
Lebas und Claparon gingen zusammen fort.
Ich kann mich herausfitzen, sagte Birotteau bei sich. Meine Passiven betragen vierhundertsechzigtausend Francs; die schon frühere Belastung meines Fabrikgrundstücks will ich mal nicht rechnen. Zur Deckung dieser Schulden habe ich die Dividende Roguins, etwa hunderttausend. Dazu die vierzigtausend. In Summa hundertvierzigtausend Francs! Es handelt sich also nur darum, hunderttausend aus dem Kephalol herauszuschlagen und mich mit ein paar Wechseln oder einem Bankkredit so lange zu halten, bis ich den Schaden wieder gutmache oder bis die Baustellen ausgenutzt werden können...
Vielen Menschen ersetzt die Zuversicht, die der Selbsttäuschung entquillt, die Energie. Hoffnung ist halber Mut. Deshalb macht der Katholizismus eine Tugend aus ihr. Die
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