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Cäsar Birotteau (German Edition)

Cäsar Birotteau (German Edition)

Titel: Cäsar Birotteau (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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an den berühmten und berüchtigten Franz Keller zu wenden. Dieser Bankier und Politiker galt als großer Wohltäter und Menschenfreund und als ein Mann, der bestrebt war, sich um die Pariser Kaufmannschaft verdient zu machen. Er war ein Liberaler, während Birotteau, wie wir wissen, Royalist war; aber Cäsar beurteilte jenen nach seinem Herzen und fand in der politischen Gesinnungsverschiedenheit nur einen Grund mehr, Kredit von dem Bankier erhoffen zu dürfen. Für den Fall, daß eine Bürgschaft verlangt werden würde, rechnete er bestimmt auf die Gefälligkeit Popinots, von dem er mindestens ein Akzept von dreißigtausend Francs erhoffte. Damit dachte er die Prozeßkosten und die gierigsten der kleineren Gläubiger zu bezahlen.
    So mitteilsam Cäsar sonst war – er pflegte seiner geliebten Konstanze die leisesten Regungen seines Ichs zu offenbaren, bei ihr Mut zu holen und sich durch ihre Gegenreden zu erleuchten –, in seiner jetzigen Lage konnte er sich mit seiner Frau nicht aussprechen. Seine Gedanken und Überlegungen drückten ihn doppelt, aber er wollte lieber allein leiden, als die Qual auch auf seine Frau übertragen. Er kam sich wie der edelste Märtyrer vor, wenn er daran dachte, daß er seiner Frau sein Unglück erst mitteilen würde, wenn es vorüber wäre. Vielleicht brauchte er es ihr nie zu erzählen. Die Angst, die er vor seiner Frau hatte, gab ihm Mut. Alle Morgen ging er in die Kirche des heiligen Rochus zur Messe und machte Gott zu seinem Vertrauten.
    Wenn ich unterwegs von Saint-Roch nach Hause keinem Soldaten begegne, sagte er sich abergläubisch nach dem Gebet, wird mein Gebet Erhörung finden. Das soll mir eine Antwort Gottes sein! Und er war glücklich, keinem Krieger zu begegnen.
    Aber sein Herz war zu bedrückt. Er brauchte jemanden, dem er vorjammern durfte. Und so ward Cäsarine, der er sich schon bei jener verhängnisvollen ersten Nachricht anvertraut hatte, die Mitwisserin aller seiner Geheimnisse. Fortan wechselten die beiden verstohlene Blicke, Blicke voller Verzweiflung und heimlicher Hoffnungen. Es gab zwischen ihnen ein stummes Fragen und Antworten, ein stilles Verständnis von Seele zu Seele.
    Vor seiner Frau spielte Birotteau den Heitern. Er scherzte mit ihr, und wenn sie zuweilen eine geschäftliche Frage tat, antwortete er ihr gleichgültig.
    Popinot, an den Cäsar gar nicht mehr dachte, machte brillante Geschäfte mit dem Kephalol. In allen Straßen erblickte man, ob man wollte oder nicht, rote Riesenplakate mit den Worten:
    KEPHALOL

 
    Während die »Rosenkönigin« vom Unglück umnachtet wurde, leuchtete die Firma »Anselm Popinot« im Morgenrot des kaufmännischen Glückes auf. Von Gaudissart und Finot beraten, hatte Popinot sein Öl keck in die weite Welt geschleudert. Kein Mensch entging dem Kephalol und gewissen von Finot erfundenen stereotypen Phrasen und Schlagworten, wie: Kephalol ist das Beste für das Haar! oder: Verlorene Haare wachsen nicht wieder! Man pflege das Haar mit Kephalol! Ebenso verfolgte einen das »Gutachten des berühmten Professors Vauquelin« förmlich von Straße zu Straße, eine wahre Beschwörung toter Haare zu neuem Leben, allen denen zugesichert, die sich des Kephalol bedienen würden. Alle Friseure, Coiffeure,
    Perückenmacher, Parfumhändler und Drogisten hatten auf ihren Ladentüren vergoldete Rahmen, die einen hübschen Druck auf Velinpapier umschlossen: »Hero und Leander«; unter dem Bilde stand in deutlichen Lettern:
    Die Völker des Altertums pflegten ihr Haar nur mit
    KEPHALOL!
    Auf einem Gange durch die Stadt in Cäsarines Begleitung bemerkte Birotteau die neue Reklame.
    »Die ewige Wiederholung! Die stereotype Annonce! Das ist keine üble Erfindung des Popinot!« meinte er verblüfft.
    »Hast du denn in unserm Schaufenster das Bild im Rahmen, nicht bemerkt?« fragte Cäsarine. »Anselm hat es uns selbst gebracht, als die ersten dreihundert Flaschen Kephalol ankamen.«
    »Nein!«
    »Wir haben bereits hundert Flaschen an unsere festen Kunden und fünfzig an andere Leute verkauft.«
    »So so!«
    Er versank wieder in seine Grübeleien.
    Am Abend vorher hatte Anselm eine volle Stunde lang auf ihn gewartet und war wieder gegangen, nachdem er mit Konstanze und Cäsarine geplaudert hatte. Man erzählte ihm, Cäsar sei ganz und gar in sein »großes Geschäft« vertieft.
    »Ach ja«, meinte Popinot, »die Grundstücksgeschichte.«
    Popinot war seit vier Wochen nicht aus der Rue des Cinq-Diamants herausgekommen. Er verbrachte die

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