Cäsar Birotteau (German Edition)
Nächte in seiner Fabrik und war sogar an den Sonntagen tätig. Er hatte in der Zeit weder Ragons noch Pillerault, noch seinen Onkel gesehen. Er begnügte sich mit sechs Stunden Schlaf. Zuerst hatte er nur zwei Kommis; nachdem sein Geschäft in Schwung gekommen war, benötigte er sehr bald deren vier. Im Handel ist die Gelegenheit alles. Wer das Glück nicht am Schopfe zu packen versteht, wird nicht Erfolg haben.
Popinot wußte nichts von Roguins Flucht und Cäsars geschäftlicher Kalamität. Somit konnte er auch Frau Birotteau nichts verraten. Seine Gedanken, seine Existenz gehörten lediglich seinem Kephalol.
Er versprach Finot fünfhundert Francs für jede erstklassige Zeitung – es gab damals deren zehn – und dreihundert Francs für jedes Blatt zweiter Güte – es gab deren ebenfalls zehn –, wenn darin jeden Monat dreimal von dem Kephalol die Rede wäre. Der Journalist rechnete von diesen achttausend Francs dreitausend auf sich und fünftausend auf die Unkosten seiner Propaganda. Die dreitausend Francs gedachte er für seine Rechnung auf das riesige grüne Tuch der Spekulation zu werfen. Er stürzte sich wie ein hungriger Löwe auf alle seine Freunde und Bekannten. Aus den Redaktionen kam er gar nicht mehr heraus. Abends setzte er seine Tätigkeit in den Foyers der Theater fort. Er schmuggelte Artikel und Annoncen in die Zeitungen, indem er den Redakteuren Geld gab, ihnen schmeichelte, ihnen Dienste und Gefälligkeiten erwies, sie zu Diners einlud, kleine Niederträchtigkeiten für sie vollbrachte und so weiter. Er ruhte und rastete nicht, erfand alle möglichen Tricks und war in seiner Leidenschaft zu allem fähig. Er bestach die Drucker, die gegen Mitternacht den Satz der Tageszeitungen vollendeten, mit Theaterbilletts, damit sie an Stelle des stets bereitliegenden »Vermischtes« Artikel und Notizen mit Hinweisen auf das Kephalol einschoben. Finot erschien in den Druckereien, als habe er Korrekturen zu besorgen. Jedermanns Freund, verschaffte er auf die Weise dem Kephalol den Sieg über alle Konkurrenzerfindungen, seihst über solche, die sich ebenfalls des genialen Mittels der Zeitungsreklame bedienten. Damals, in der paradiesischen Epoche des Zeitungswesens, waren die meisten Journalisten noch wahre Idioten; sie kannten ihre eigene Macht nicht und vertrödelten sich bei hübschen Schauspielerinnen und Tänzerinnen. Sich gegenseitig schulmeisternd, kamen sie auf keinen grünen Zweig.
Finot fiel es gar nicht ein, Schauspielerinnen die Wege zu ebnen, Theaterstücken zum Erfolg zu helfen, seine eigenen Vaudevilles zur Aufführung zu bringen oder sich seine Artikel bezahlen zu lassen. Im Gegenteil, er bot zur rechten Zeit Geld oder lud zum Déjeuner ein. Dadurch erreichte er, daß alle Zeitungen vom Kephalol sprachen, Vauquelins Gutachten abdruckten und sich über die Dummheit derer lustig machten, die noch glaubten, man könne neue Haare sprossen lassen, wo keine mehr da sind, oder sich das Haar färben, ohne die Gesundheit zu schädigen.
Bewaffnet mit den Artikeln und Anzeigen der Tagespresse wanderte Gaudissart durch die Provinzen, um Vorurteile niederzukämpfen, wo er auf welche stieß. Er vollbrachte das, was man »grobes Geschütz auffahren« oder »mit verhängten Zügeln Attacke reiten« nennt. Damals gab es noch keine Provinzzeitungen; die Pariser Journale beherrschten auch die Departements. Man studierte die Pariser Blätter höchst ernsthaft und las sie vom ersten bis zum letzten Buchstaben. Auf die Presse gestützt, hatte Gaudissart allerorts glänzende Erfolge. Die Ladenbesitzer der Provinzen rissen sich um die gerahmten Reklamebilder von »Hero und Leander«.
Finot verdiente sich die dreitausend Francs. In späteren Tagen pflegte er lachend zu erzählen, ohne jenes Geld wäre er vor Not und Elend umgekommen. Die tausend Taler begründeten sein Glück. Ein Vierteljahr später war er Chefredakteur einer kleinen Zeitung. Er war der erste, der die Macht der Zeitungsreklame ahnte. Er schuf die bezahlte Annonce und leitete damit eine ungeheure Revolution im Zeitungswesen ein.
Birotteau, der »Anselm Popinot & Co.« an allen Ecken und Enden prunken sah, war unfähig, die Tragweite dieser Reklame zu ermessen; er begnügte sich damit, zu seiner Tochter zu sagen: »Der kleine Popinot hat viel von mir gelernt!« ohne den Wandel der Zeiten zu begreifen und ohne die Macht der modernen Reklamemittel zu würdigen, die durch ihre Schnelligkeit und Verbreitung viel prompter wirken als die von Anno
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