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Cäsar Birotteau (German Edition)

Cäsar Birotteau (German Edition)

Titel: Cäsar Birotteau (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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dazumal.
    Seit seinem Ball hatte Cäsar keinen Fuß in seine Fabrik gesetzt. Er wußte gar nicht, welche Regsamkeit und Tätigkeit Popinot dort entfaltete. Anselm hatte nach und nach alle Arbeiter Birotteaus in seine Dienste genommen. Er schlief in der Fabrik. In seiner Phantasie sah er seine geliebte Cäsarine auf allen Kisten sitzen, über allen Arbeitstischen schweben und ihren Namen auf allen Rechnungen gedruckt. Sie muß meine Frau werden! sagte er sich, wenn er in Hemdsärmeln in Abwesenheit seiner irgendwohin geschickten Leute froh und munter selber eine Kiste zunagelte.
    Nachdem sich Cäsar die ganze Nacht hindurch hin und her überlegt hatte, was er zu dem großen Manne der Hochfinanz sagen oder nicht sagen solle, ging er am Vormittag des neuen Tages nach der Rue du Houssaye. Als er sich dem Palaste des liberalen Bankiers näherte, überfiel ihn gräßliches Herzklopfen. Es kam ihm in den Sinn, daß Keller einer politischen Partei angehörte, die man mit Recht beschuldigte, den Sturz der Bourbonen im Auge zu haben. Wie alle kleinen Pariser Kaufleute hatte Birotteau keine Ahnung, wie die Leute der Hochfinanz leben.
    Es gibt zwischen der Bank von Frankreich und der Handelswelt gewisse kleinere Banken, nützliche Zwischenanstalten, welche die Sicherheit der großen Bank noch erhöhen. Birotteau und Konstanze, die nie über ihre Kräfte hinausgegangen waren, deren Kasse nie leer gewesen, hatten ihre Zuflucht niemals zu diesen Banken zweiter Klasse zu nehmen brauchen, waren damit aber auch in den höheren Regionen der Finanz um so unbekannter. Vielleicht ist es kaufmännisch falsch, sich nicht überhaupt eines wenn auch unnötigen Bankkredits zu bedienen. Die Meinungen hierüber sind geteilt. Wie dem aber auch sei, Birotteau bedauerte jetzt, in guten Tagen niemals Wechsel mit seiner Unterschrift ausgegeben zu haben. Da er aber als früherer Handelsrichter, Stadtverordneter und Royalist immerhin bekannt war, glaubte er, sich nur anmelden lassen zu brauchen. Er hatte keine Ahnung davon, wie überlaufen der Bankier war und daß Keller wie ein Fürst Audienzen zu halten pflegte.
    Als Cäsar im Salon vor dem Kabinett des in so vieler Hinsicht berühmten Mannes saß, sah er sich zu seinem Erstaunen mitten in einer großen Gesellschaft von Abgeordneten, Journalisten, Wechselagenten, Großkaufleuten, Ingenieuren und so weiter; dazu kamen allerlei Intime des Hauses, die die andern übergingen und außer der Reihe gleichsam als Vorberechtigte in das Kabinett traten.
    Was bin ich angesichts dieses Räderwerks? dachte Birotteau, ganz betäubt von dem Riesengange der intellektuellen Maschine, die vor seinen Augen arbeitete. Hier wurde das tägliche Brot der Opposition gebacken. Hier wurden die Rollen der großen von der parlamentarischen Linken gespielten Tragikomödien einstudiert. Sich zur Rechten hörte Cäsar eine Diskussion über die von der Regierung beabsichtigte Anleihe zum Ausbau der Kanallinien, wobei es sich um Millionen handelte. Zu seiner Linken unterhielt man sich über die gestrige Kammersitzung. Während zweistündigen Wartens beobachtete Birotteau dreimal, wie der große Bankier bedeutenden Persönlichkeiten ein paar Schritte aus seinem Kabinett heraus das Geleit gab. Den letzten, den General Foy, begleitete Franz Keller bis in das Vorzimmer.
    Ich bin verloren! seufzte Cäsar. Sein Herz krampfte sich zusammen.
    Die Schar von Freunden, Schmeichlern und Bittstellern umdrängte den Bankier jedesmal, wenn er sichtbar ward. Er wurde belagert wie eine läufische Hündin. Die einzelnen Konferenzen währten fünf, zehn, fünfzehn Minuten. Manche der Angenommenen kamen sichtlich niedergeschlagen heraus, andere mit zufriedener Miene, wieder andere sich wichtig tuend.
    Die Zeit verstrich. Birotteau blickte ängstlich nach der Standuhr. Niemand beachtete den stillen Unglücklichen, der auf seinem vergoldeten Stuhl im Winkel am Kamin an der Tür des Allerweltsarztes, des Kredits, heimlich seufzte. Mit Schmerzen dachte Cäsar daran, daß er in seinem Hause ebenso ein König gewesen war, wie es dieser Mann alle Morgen vor aller Welt war. Dieser Gedanke ließ ihn so recht die Tiefe des Abgrundes ermessen, in den er gestürzt war. Wie bitter war die Erkenntnis! Wieviel Tränen hielt er in den zwei Stunden mühselig zurück! Wievielmal flehte er zu Gott, er möge den Mann da drinnen für ihn günstig stimmen. Er hatte in der kurzen Zeit die Wahrnehmung gemacht, daß der Bankier hinter der nachlässigen Maske leutseliger

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