Cäsar Birotteau (German Edition)
Er hat dir keinen Kummer verursachen wollen!«
»Mein Traum ist also doch in Erfüllung gegangen!« jammerte die arme Frau und sank bleich und entsetzt auf das Sofa am Kamin. »Ich habe alles vorhergesehen! Ich habe es dir in jener verhängnisvollen Nacht in unserm alten Schlafzimmer, das du hast wegreißen lassen, gesagt. Wir werden nichts mehr haben als unsere Augen zum Weinen. Arme Cäsarine!«
»Ja, so bist du nun!« brummte Birotteau. »Du wirst mir den guten Mut nehmen, den ich so nötig habe.«
»Verzeih mir, Lieber!« sagte Konstanze, indem sie Cäsars Hand ergriff und zärtlich an ihr Herz drückte, daß es ihm ganz rührselig zumute wurde. »Es war nicht recht von mir. Ich will stumm, ergeben und stark sein. Das Unglück ist nun da. Du sollst mich niemals klagen hören!«
Sie warf sich in seine Arme. Weinend fuhr sie fort:
»Mut, lieber Freund, Mut! Ich werde Mut für zwei haben, wenn es nötig sein sollte!«
»Liebe Konstanze! Unser Kephalol wird uns retten!«
»Gott wird uns schützen!«
»Wird denn Anselm dem Vater nicht helfen?« fragte Cäsarine.
»Ich werde ihn aufsuchen«, entgegnete Cäsar, gerührt durch die Wehmut seiner Frau. Er kannte sie nach neunzehn Jahren immer noch nicht völlig. »Ängstige dich nicht mehr, Konstanze! Hier, lies diesen Brief Tillets an Nucingen! Ein Kredit bei ihm ist uns sicher. Bis dahin werde ich meinen Prozeß gewonnen haben. Übrigens ...«, fügte er mit einer Notlüge hinzu, »... ist ja auch noch Onkel Pillerault da! Wir müssen nur Mut haben!«
»Wenn es nur darauf ankäme!« meinte Konstanze.
Einer großen Last ledig, ging Birotteau fort. Er kam sich frei vor wie ein aus der Gefangenschaft Entlassener, wenngleich er sich unbeschreiblich erschöpft fühlte, wie das nach übermäßigen seelischen Leiden der Fall ist, wenn mehr Nerven- und Willenskräfte verbraucht werden, als vorrätig sind, so daß gewissermaßen das Kapital einer Menschenexistenz angegriffen wird. Birotteau war tatsächlich dabei gealtert.
Seit vier Wochen hatte sich das Haus Anselm Popinots in der Rue des Cinq-Diamants recht verändert. Der Laden war vorgerichtet worden. Den Kundigen grüßten gewisse Merkmale des guten Geschäftsganges.
Popinot stand im Hintergrunde seines Ladens an einem Schreibpult, das durch eine Vitrage abgesondert war. Wie gewöhnlich trug er eine Schürze aus Serge und Schutzärmel aus grüner Leinwand; die Feder hinter dem rechten Ohr, war er in allerhand Geschäftspapiere vertieft.
Als er die Worte: »Na, mein Junge!« hörte, mit denen sein ehemaliger Prinzipal in den Laden trat, wandte er den Kopf, verschloß das Pult und kam ihm mit freudiger Miene entgegen. Er hatte eine rote Nasenspitze, denn er ließ den Laden nicht heizen, und die Ladentür stand immer offen.
»Ich fürchtete bereits, Sie würden niemals hierher kommen«, sagte er in ehrerbietigem Tone.
Die drei Kommis staunten den berühmten Parfümhändler, Stadtverordneten und Ritter der Ehrenlegion an, den Kompagnon ihres Prinzipals. Ihre stumme Huldigung schmeichelte Cäsar. Vor wenigen Stunden, bei den Gebrüdern Keller, klein und gedemütigt, verspürte er jetzt das Bedürfnis, jene Geldgrößen zu imitieren. Er griff sich an das Kinn, spreizte sich überlegen und ließ ein paar Phrasen los.
»Hier ist ja alles auf dem Damm!« meinte er.
»Freilich! Wenn man sich aufs Ohr legt, kommt kein Erfolg!«
»Na ja! Mein Kephalol wird aus dem Laden eine Goldgrube machen!«
»Gewiß, Herr Birotteau! Zunächst heißt's aber, Geld in die Sache stecken! Ich kann sagen, ich habe Ihr Gold fein zupacken lassen!«
»Wie steht's damit ? Geht das Zeug gut?«
»Wie können Sie das nach drei Wochen schon verlangen?« sagte Popinot im Flüstertone. »Freund Gaudissart ist erst dreizehn Tage unterwegs. Er hat sich eine Extrapost genommen, ohne es mir zu sagen. Ja, das ist ein flinker und zuverlässiger Kerl! Wir verdanken somit indirekt meinem Onkel viel... Die Annoncen werden uns ungefähr Zwölftausend Francs kosten ...«
»Die Annoncen?«
»Gewiß! Sie haben wohl die Zeitungen nicht in den Händen gehabt?«
»Nein!«
»Ja, dann wissen Sie ja noch nichts. Zwanzigtausend Francs für Annoncen, Plakate und Prospekte! Wir stellen hunderttausend Flaschen fertig! Großfabrikation!
Wenn Sie einmal in die Fabrik gekommen wären, hätten Sie was gesehen! Vorderhand haben wir, wie gesagt, große Ausgaben!«
»Donnerwetter!« meinte Birotteau.
Es traten Käufer in den Laden.
»Auf Wiedersehen!« sagte
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