Cäsar Birotteau (German Edition)
Ich habe ihr aber den guten Rat gegeben, nicht so dumm zu sein und von ihrem Vermögen die Schulden zu bezahlen, die ihr Mann eines liederlichen Weibes wegen gemacht hat. Ich ließe mir's noch gefallen, sie wäre in der Lage, alles zu bezahlen. Aber wozu ein paar Gläubiger befriedigen unter Benachteiligung der übrigen ? Wenn ich so bedenke: Sie! Sie sind ein anderer Mann als dieser Roguin! Sie würden sich eher aufhängen, als mich um einen roten Heller bringen! Da sind wir ja an der Rue de la Chaussée-d'Antin. Kommen Sie mit zu mir hinauf!«
Der Parvenü machte es sich zum Vergnügen, seinem ehemaligen Prinzipal seine Wohnung zu zeigen, anstatt ihn in sein Kontor zu führen. Er geleitete ihn langsam durch ein üppiges Eßzimmer mit in Deutschland gekauften Gemälden und durch zwei Salons von einem Luxus und einer Eleganz, wie sie Birotteau bisher nur im Hause des Herzogs von Lenoncourt zu sehen Gelegenheit gehabt hatte. Seine kleinbürgerlichen Augen wurden geradezu geblendet durch den vergoldeten Stuck, die sinnlosen Nippsachen, die Kunstwerke, die kostbaren Vasen und durch tausend Einzelheiten, vor denen die Herrlichkeiten seines eigenen Heimes verblichen. Da er sich erinnerte, was ihn die eigenen Torheiten gekostet hatten, sagte er sich: Der Mann muß Millionen haben!
Du Tillet zeigte ihm sodann sein Schlafzimmer, im Vergleich zu dem das von Konstanze gar nichts war. Wände und Decke waren von violetter Seide mit weißseidener Ausschmückung bedeckt; der orientalische Teppich war veilchenfarbig und kontrastierte zu dem Hermelin der Bettvorhänge. Die Möbel, wie alles Gerät im Zimmer, waren im neuesten Geschmack und raffiniert ausgesucht. Besonders gefiel Birotteau eine herrliche Standuhr: »Amor und Psyche«, die nur in zwei Exemplaren existierte.
Zuletzt kamen sie in ein kokettes kleines Dandyzimmer, das mehr nach galanten Erlebnissen denn nach Finanzoperationen roch. Auf dem Boden lag ein wundervoller Brüsseler Teppich.
Du Tillet bat den überraschten und verwirrten Parfümhändler, am Kamin Platz zu nehmen.
»Wollen Sie mit mir frühstücken?«
Er klingelte. Der Kammerdiener erschien. Er war besser angezogen als Birotteau.
»Sagen Sie Legras, er solle mal heraufkommen! Joseph, den Sie vor dem Kellerschen Hause finden, soll einrücken! Dann gehen Sie zu Herrn Adolf Keller. Richten Sie ihm aus, ich käme nicht zu ihm, ich erwartete ihn noch vor der Börse hier bei mir! Lassen Sie das Frühstück servieren, und zwar bald!«
Birotteau war ganz starr:
Dieser du Tillet befiehlt den gefürchteten Adolf Keller zu sich, wie man einen Jagdhund zu sich heranpfeift!
Ein Groom, winzig wie ein Zwerg, stellte einen niedlichen kleinen Tisch auf, servierte eine Leberpastete, eine Flasche Bordeaux und allerlei Delikatessen, wie sie im Hause Birotteau im Jahre keine dreimal, etwa an den hohen Festen, auf den Tisch kamen. Du Tillet freute sich teuflisch. Sein Haß gegen den einzigen Mann, der das Recht hatte, ihn zu verachten, wärmte sich an dieser Freude, Er kam sich vor wie ein Löwe, der mit einem Schaf spielt.
Ich habe die Macht, diesen Mann kaufmännisch zu vernichten, sagte er sich. Ich habe Leben und Tod in der Hand, von ihm, seiner Frau, die mich verschmäht hat, und von seiner Tochter, deren Hand mich einst ein großes Glück dünkte. Ich habe ihm sein Vermögen genommen. Es soll mir genug sein, den armen Schlucker an einem Fädchen tanzen zu lassen, das ich in der Hand halte!
Er kam sich in der Beschränkung edelmütig vor. Sein Haß schlief ein. Aber biedere Naturen sind wenig sensibel. Das war Birotteaus Unglück. Ahnungslos reizte er den Löwen. Durch seine biedern Herzensergießungen machte er ihn unversöhnlich.
Du Tillets Kassierer erschien.
»Herr Legras, bringen Sie mir zehntausend Francs und bereiten Sie einen Wechsel über die Summe vor, auf meine Order und auf drei Monate, von diesem Herrn hier auszustellen. Sie kennen doch seine Adresse? Es ist Herr Cäsar Birotteau.«
Du Tillet legte seinem Gaste von der Pastete vor und schenkte ihm ein Glas Wein ein. Birotteau, der sich gerettet sah, lachte vergnügt vor sich hin und spielte mit seiner Uhrkette. Erst als sein ehemaliger Kommis ihn erinnerte: »Sie essen ja nicht!« begann er zu essen.
Der Kassierer kam wieder. Birotteau unterschrieb den Wechsel. Jetzt, wo er die zehn Scheine in der Tasche hatte, verlor er seine Selbstbeherrschung. Noch vor einer halben Stunde war er zahlungsunfähig gewesen. Das war überwunden. Das Glücksgefühl,
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