Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition)
Sie mich, Herr Birotteau, es handelt sich um den Sturz eines Ministers ... Gehen Sie zu meinem Bruder.«
Er begleitete den Parfümhändler bis zur Tür und sagte zu einem seiner Leute: »Bringen Sie den Herrn zu Herrn Adolph.«
Ein Mann in Livree führte Birotteau über ein Labyrinth von Treppen zu einem weniger kostbar als das des Firmenchefs eingerichteten, aber viel wichtigeren Arbeitszimmer: Birotteau, auf einem »wenn«, dem lenkbarsten Reittier der Hoffnung, sitzend, strich sich das Kinn und erblickte in den schmeichelhaften Worten des berühmten Mannes ein günstiges Vorzeichen. Er bedauerte, daß ein Feind der Bourbonen ein so liebenswürdiger und begabter Mann und ein so bedeutender Redner war.
Erfüllt von solchen Illusionen betrat er ein kahles, kaltes, mit zwei Zylinderbureaus und einigen schlechten Sesseln möbliertes und mit sehr schadhaften Vorhängen und einem dürftigen Teppich versehenes Arbeitszimmer. Dieses Zimmer verhielt sich zu jenem andern wie die Küche zum Speisezimmer, die Fabrik zu dem Verkaufsladen. Hier wurden die Bank- und Handelsgeschäfte bis ins Innerste geprüft, die Unternehmungen genau studiert und die Provisionen der Bank bei allen Erträgen von Industrieunternehmen, die als einbringlich angesehen wurden, festgelegt. Hier wurden die gewagten Coups erdacht, durch die man sich in wenigen Tagen ein schnell auszubeutendes Monopol verschaffen konnte; hier die Lücken der Gesetzgebung herausgefunden und ohne Scheu das ausbedungen, was die Börse einen »Löwenanteil« nennt, Kommissionsgebühren für die geringsten Dienste, wie die Unterstützung eines Unternehmens nur durch ihren Namen und die Gewährung eines Kredits. Hier wurden die gesetzlich nicht anfechtbaren Schwindeleien ausgeheckt, die darin bestanden, sich an zweifelhaften Unternehmungen in der Weise zu beteiligen, daß man erst den Erfolg abwartete, um sie dann zu vernichten und sich ihrer zu bemächtigen, indem man im kritischen Moment sein Kapital zurückforderte; ein schreckliches Manöver, durch das unzählige Aktionäre hineingelegt wurden.
Die beiden Brüder hatten die Rollen unter sich verteilt. Oben spielte sich Franz, der vornehme Mann und Politiker, als ein König auf, der Gunstbeweise und Versprechungen austeilte und sich bei allen angenehm machen. Bei ihm machte sich alles leicht; er behandelte die Geschäfte nicht kleinlich und berauschte die neuen Ankömmlinge und die noch unerfahrenen Spekulanten mit dem Wein seiner Gunst und seiner einnehmenden Rede, indem er ihnen ihre eigenen Ideen entwickelte. Unten entschuldigte Adolph seinen Bruder mit seiner politischen Überlastung und verstand es, geschickt auf den Busch zu klopfen; er war daher der unbeliebte Bruder, der schwierige Mann. Man mußte also von beiden Seiten die Zusage haben, wenn man mit dieser hinterlistigen Firma zu einem Geschäftsabschluß gelangen wollte. Häufig verwandelte sich das liebenswürdige Ja des Staatszimmers in ein trockenes Nein in Adolphs Arbeitszimmer. Dieses Hinziehen gestattete die genaue Überlegung und war oft der Anlaß, sich über weniger gewandte Konkurrenten lustig zu machen. Der Bruder des Bankiers sprach gerade mit dem bekannten Palma, dem vertrauten Ratgeber des Hauses Keller, der sich beim Erscheinen des Parfümhändlers zurückzog. Als Birotteau sein Anliegen auseinandergesetzt hatte, warf Adolph, der schlauere der beiden Brüder, ein wahrer Luchs, mit stechenden Augen, schmalen Lippen und grellem Teint, indem er den Kopf senkte, über seine Brille hinweg Birotteau einen Blick zu, den man den Bankierblick nennen muß, und der an den des Geiers und des Advokaten erinnert; er war neugierig und gleichgültig, klar und dunkel, leuchtend und finster zugleich.
»Schicken Sie mir gefälligst den Vertrag über das Terraingeschäft an der Madeleine,« sagte er, »damit ich mir über die Unterlagen für den Kredit ein Bild machen kann; das muß zuerst geprüft werden, bevor wir ihn eröffnen und über die Zinsen verhandeln können. Liegt die Sache günstig, so würden wir uns, um Ihnen entgegenzukommen, mit einem Anteil an dem Gewinn begnügen an Stelle eines Skontos.«
»Nun, ich sehe schon, worum es sich handelt«, sagte Birotteau zu sich, als er nach Hause ging. »Ich muß, wie der gejagte Biber, ein Stück meines Fells opfern. Aber besser, man läßt sich scheren, als daß man untergeht.«
An diesem Tage kehrte er mit lächelndem Gesicht heim und sein Frohsinn war echt.
»Ich bin gerettet,« sagte er zu Cäsarine,
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