Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition)
habe die Emigrantenquittungen mit sechzig Prozent Rabatt aufgekauft; dabei war mir Ihre Bürgschaft sehr nützlich und ich, ich bin nicht undankbar! Wenn Sie zehntausend Franken brauchen, so können Sie sie haben.«
»Wirklich, du Tillet?« rief Cäsar aus, »ist das wirklich wahr? Treiben Sie keinen Spott mit mir? Ja, ich bin etwas in Verlegenheit, aber nur für den Augenblick.«
»Ich weiß, die Affäre Roguin«, erwiderte du Tillet. »Ach, ich sitze auch mit zehntausend Franken drin, die der alte Kerl vor der Flucht von mir entliehen hat, aber Frau Roguin wird sie mir aus ihren Eingängen zurückerstatten. Ich habe der armen Frau geraten, daß sie nicht so dumm sein soll, ihr Vermögen zu opfern, um die Schulden zu bezahlen, die für ein Frauenzimmer gemacht worden sind; das wäre ja noch schöner, wenn sie alles bezahlen wollte, aber wie soll sie gewisse Gläubiger vor anderen bevorzugen? Sie sind kein Roguin, Sie kenne ich, Sie würden sich eher eine Kugel vor den Kopf schießen, als daß Sie mich einen Sou einbüßen ließen. Aber da sind wir ja in der Rue de la Chaussée d'Antin, kommen Sie zu mir hinauf.«
Es machte dem Parvenü Vergnügen, seinen ehemaligen Prinzipal, anstatt in die Bureaus, durch seine Privaträume zu führen, und er machte das langsam, um ihm das reiche Speisezimmer zu zeigen, das mit in Deutschland gekauften Bildern geschmückt war, und zwei Salons von einer Pracht und einem Luxus, wie ihn Birotteau nur noch bei dem Herzog von Lenoncourt bewundert hatte. Die Augen des Bourgeois waren wie geblendet von den Vergoldungen, den Kunstwerken, den kostbaren Kleinigkeiten, den wunderbaren Vasen, von all den tausend Einzelheiten, die den Luxus von Konstanzens Zimmer verblassen ließen; und da er wußte, was ihn seine teure Einrichtung gekostet hatte, so sagte er bei sich: »Wo hat er nur so viele Millionen hergenommen?«
Er betrat dann das Schlafzimmer, neben dem Frau Birotteaus ihm vorkam wie die Wohnung eines Statisten im dritten Stock neben dem Hause einer ersten Sängerin der Oper. Die Decke war ganz mit violetter Seide bespannt, deren Falten mit weißer Seide abgesetzt waren. Ein Bettvorleger von Hermelin hob sich von einem veilchenfarbenen orientalischen Teppich ab. Die Möbel und das übrige Zubehör wiesen neue Formen von besonderer Eigenart auf. Der Parfümeur blieb vor einer reizenden Uhr mit einer Gruppe von Amor und Psyche stehen, die eben für einen bekannten Bankier angefertigt worden war; du Tillet hatte von ihm das einzige Exemplar, das noch neben dem seinigen existierte, bekommen. Endlich gelangten der ehemalige Prinzipal und der ehemalige Kommis in ein stutzerhaft elegantes, kokettes Arbeitszimmer, das mehr für die Liebe als für die Finanzen geschaffen schien. Sicher hatte Frau Roguin, um sich für die Sorgfalt, mit der er ihr Vermögen verwaltete, erkenntlich zu zeigen, das Falzbein aus getriebenem Golde, Briefbeschwerer aus Malachit mit Metallzieraten – alle die kostspieligen Kleinigkeiten eines unbegrenzten Luxus, geschenkt. Der Teppich, reichste belgische Arbeit, fesselte ebensosehr das Auge, wie er beim Betreten durch seine Weichheit und Dicke auffiel. Du Tillet bot dem armen Parfümhändler, der geblendet, überrascht, verwirrt war, einen Sitz am Kamin an.
»Wollen Sie mit mir frühstücken?«
Er klingelte; ein Kammerdiener erschien, der besser angezogen war als Birotteau.
»Sagen Sie Herrn Legras, daß er heraufkommen möchte, und bestellen Sie dann Joseph, daß er nach Hause kommen soll, Sie finden ihn vor der Tür von Kellers; dann gehen Sie hinein, und sagen Sie Herrn Adolph Keller, ich käme nicht zu ihm, sondern ich erwarte ihn hier bis zum Börsenbeginn. Außerdem lassen Sie anrichten und zwar gleich.«
Diese Worte verblüfften den Parfümhändler.
»Er bestellt diesen gefürchteten Adolph Keller zu sich, er pfeift ihm, wie einem Hunde! Er, du Tillet!«
Ein Groom, nicht dicker als eine Faust, erschien, zog einen Tisch auseinander, der so klein war, daß Birotteau ihn nicht bemerkt hatte, und stellte eine Gänseleberpastete und eine Flasche Bordeauxwein auf, nebst andern ausgesuchten Dingen, die bei Birotteau kaum alle paar Monate, bei besonderen Gelegenheiten, auf den Tisch kamen. Du Tillet kostete seinen Genuß aus. Sein Haß gegen den einzigen Menschen, der ein Recht hatte, ihn zu verachten, war so glühend geworden, daß Birotteau ihn den aufregenden Eindruck empfinden ließ, den der Anblick eines Lammes, das sich gegen einen Tiger verteidigt,
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