Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition)

Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition)

Titel: Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
Vom Netzwerk:
wobei er ihm zehn Franken zusteckte. Dadurch erreichte er es, den Kammerdiener sprechen zu können, den er ersuchte, ihn zu du Tillet hineinzubringen, sobald dieser sichtbar sein würde; dafür ließ er ihm zwei Goldstücke in die Hand gleiten. Diese kleinen Opfer und großen Demütigungen, die den Höflingen wie den Bittstellern geläufig sind, ließen ihn an sein Ziel gelangen. Um einhalb neun Uhr, als sein früherer Kommis seinen Schlafrock anzog, sich aus dem traumbefangenen Zustand langsam wach machte, gähnte, sich reckte und dabei seinen früheren Prinzipal um Entschuldigung bat, befand sich Birotteau endlich von Angesicht zu Angesicht dem rachedurstigen Tiger gegenüber, den er für seinen einzigen Freund hielt. »Lassen Sie sich nicht stören«, sagte Birotteau. »Was wünschen Sie denn, ›mein guter Cäsar‹?« Cäsar berichtete nun mit schauderhaftem Herzklopfen, was der Baron von Nucingen gesagt und verlangt hatte, während du Tillet unaufmerksam zuhörte, nach seinem Blasebalg suchte und den Kammerdiener ausschalt, daß er nicht ordentlich Feuer gemacht habe.
    Der Kammerdiener hörte zu, ohne daß Cäsar es wahrnahm; als er ihn endlich bemerkte, hielt er verwirrt inne und fuhr erst fort, nachdem ihm du Tillet einen Spornstoß gegeben hatte: »Weiter, weiter, ich höre zu«, sagte der Bankier zerstreut. Der arme Mensch war in Schweiß gebadet, der aber zu Eis wurde, als du Tillet ihn scharf ansah und seine hellen goldgetigerten Pupillen auf ihn richtete, deren diabolischer Glanz ihm bis ins Herz drang.
    »Mein lieber Prinzipal, die Bank hat sich geweigert, die Wechsel zu nehmen, die von Ihnen ausgestellt und von der Firma Claparon an Gigonnet mit dem Vermerk ›ohne Garantie‹ weitergegeben worden sind; ist das meine Schuld? Wie konnten Sie, ein ehemaliger Handelsrichter, eine solche Dummheit machen? Ich bin in erster Reihe Bankier. Ich kann Ihnen wohl Geld borgen, aber ich kann doch meine Unterschrift nicht einem Refus der Bank aussetzen. Meine ganze Existenz beruht auf Kredit. Das ist bei uns allen so. Wollen Sie Geld haben?«
    »Können Sie mir soviel geben, wie ich brauche?«
    »Das kommt auf die Höhe der Summe an. Wieviel brauchen Sie?«
    »Dreißigtausend Franken.«
    »Da fällt mir ja der Schornstein auf den Kopf«, sagte du Tillet und brach in ein Gelächter aus.
    Als er dieses Gelächter wahrnahm, glaubte der Parfümhändler, getäuscht von dem Luxus du Tillets, es als das Lachen eines Mannes ansehen zu können, für den ein solcher Betrag eine Kleinigkeit war, und atmete auf. Du Tillet klingelte.
    »Schicken Sie meinen Kassierer herauf.«
    »Er ist noch nicht da, Herr du Tillet«, antwortete der Kammerdiener.
    »Diese Kerls machen sich über mich lustig! Es ist halb neun, man könnte bis dahin bereits Geschäfte für eine Million gemacht haben.«
    Fünf Minuten darauf erschien Herr Legras.
    »Wieviel haben wir in der Kasse?«
    »Nur zwanzigtausend Franken. Sie haben Auftrag gegeben, für dreißigtausend Franken Rente gegen Kasse zu kaufen, die am fünfzehnten zu bezahlen sind.«
    »Richtig, ich bin noch im Schlafe.«
    Der Kassierer warf einen scheelen Blick auf Birotteau und entfernte sich.
    »Wenn die Wahrheit von der Erde verbannt werden sollte, so würde sie das letzte Wort, das sie noch zu sagen hätte, einem Kassierer anvertrauen. Haben Sie nicht an der Firma des kleinen Popinot, der sich jüngst etabliert hat, einen Anteil?« sagte er nach einer schrecklich langen Pause, während deren dem Parfümhändler der Schweiß von der Stirne rann.
    »Ja,« erwiderte Birotteau harmlos, »glauben Sie, daß Sie Wechsel von ihm über eine erhebliche Summe eskomptieren könnten?«
    »Bringen Sie mir Akzepte von ihm über fünfzigtausend Franken, ich werde sie zu einem erträglichen Zinssatz bei einem gewissen Gobseck unterbringen, der nicht schwer zu behandeln ist, wenn er viel Geld, und er hat viel Geld, anzulegen hat.«
    Birotteau, der nicht merkte, wie die Bankiers ihn, gleich einem Ball, mit Raketts, einer dem andern zuwarfen, kehrte mit blutendem Herzen nach Hause zurück; aber Konstanze hatte bereits gemerkt, daß jeder Kredit ausgeschlossen war. Wenn drei Bankiers abgelehnt hatten, dann mußten schon alle über einen so bekannten Mann, wie der Beigeordnete war, sich untereinander verständigt haben; dementsprechend konnte man auch von der Bank von Frankreich nichts mehr erhoffen.
    »Versuche zu prolongieren«, sagte Konstanze, »und geh zu Claparon, der ja dein Teilhaber ist, und zu all

Weitere Kostenlose Bücher