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Cäsar Cascabel

Cäsar Cascabel

Titel: Cäsar Cascabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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nicht schämst!«
    »Vater, ich versichere dir…«
    »Versichere mir nichts!… Ich habe große Lust, dich allabendlich zu messen und gegebenen Falls fasten zu lassen… Clou macht es ebenso!… Er wird zusehends fetter!«
    »Ich, Herr Direktor?«
    »Ja, du, und es schickt sich nicht, daß ein Hanswurst dick sei… am allerwenigsten, wenn er Clou heißt!… Du wirst schließlich so rund wie ein Bierfaß werden…«
    »Wenn ich nicht etwa auf meine alten Tage zur Hopfenstange zusammenschrumpfe!« antwortete Clou, seinen Gürtel fester anziehend.
    Bald darauf hatte die Belle-Roulotte den Tas, der seine Fluten in die Jeniseibucht ergießt, ungefähr an dem Punkte zu passieren, wo die Marschroute den nördlichen Polarkreis durchschnitt, um in die gemäßigte Zone hinüberzugehen. Man sieht, welch schräge Linie sie seit der Abfahrt von der Liakhossinselgruppe gen Südwesten beschrieben hatte.
    Aus diesem Anlasse glaubte der stets als Autorität betrachtete Herr Sergius, seinem gewohnheitsmäßigen Auditorium erklären zu sollen, was der Polarkreis sei, jenseits dessen die Sonne sich im Sommer niemals auf mehr als dreiundzwanzig Grad über dem Horizont erhebe.
    Jean, der bereits einen Begriff von der Kosmographie hatte, verstand die von Herrn Sergius gegebene Erklärung. Aber Herr Cascabel spannte vergeblich alle Federn seiner Intelligenz an, es gelang ihm nicht, sich das eigentliche Wesen des Polarkreises vorzustellen.
    »Was Kreise betrifft,« sagte er, »so kenne ich nur die Reisen, durch welche Kunstreiter und Reiterinnen zu springen pflegen. Aber schließlich ist dies kein Grund, jenen Kreis nicht anzufeuchten!«
    Und der Polarkreis wurde mit einer Flasche guten Branntweins angefeuchtet, wie die Matrosen an Bord der Fahrzeuge, welche von einer Hemisphäre in die andere fahren, den Äquator anzufeuchten pflegen.
    Der Übergang über den Tas wurde nicht ohne einige Schwierigkeiten zuwege gebracht. Der Verkehr zwischen den beiden Ufern dieses Flüßchens wurde durch keine Fähre erleichtert und so mußte man eine passierbare Furt suchen, was mehrere Stunden in Anspruch nahm. Die beiden Russen legten großen Eifer an den Tag; zu wiederholten Malen mußten sie bis an den Gürtel ins Wasser steigen, um die Räder des Fuhrwerks frei zu machen.
    Mit weit weniger Mühe setzte man am sechzehnten Mai über den Pur, einen schmalen Fluß, der weder reißend noch tief ist.
    Zu Anfang Juni war die Hitze überaus groß geworden – was immer anormal erscheint, wenn es sich um Gegenden unter so hohen Breitegraden handelt. Während der zweiten Hälfte des Monats Mai zeigte das Thermometer fünfundzwanzig bis dreißig Grad. Da es in der Steppe absolut keinen Schatten gab, so litten Herr Sergius und seine Gefährten sehr unter dieser Temperatur. Selbst die Nacht mildert die Tagesglut nicht sonderlich, da die Sonne in dieser Jahreszeit kaum unter den Horizont jener langen Ebenen hinabsinkt. Nachdem sie denselben fast im Norden gestreift hat, steigt ihre weißglühende Scheibe sogleich wieder empor, um ihren täglichen Lauf von neuem zu beginnen.
    »He!… Diese verwünschte Sonne!« sagte Cornelia immer wieder, indem sie ihr Gesicht mit einem nassen Schwamme betupfte. »Welch ein Ofenloch!… Und wenn es noch im Winter wäre.«
    »Wenn es im Winter wäre,« antwortete Herr Sergius, »so würde der Winter eben zum Sommer.«
    »Richtig!« versetzte Herr Cascabel. »Aber was mir schlecht kombiniert erscheint, das ist, daß wir kein einziges Stückchen Eis zu unserer Erfrischung haben, nachdem wir Monate lang solchen Überfluß daran gehabt!«
    »Sehen Sie, Freund Cascabel, wenn wir Eis hätten, so hätten wir’s infolge von Kälte, und wenn es kalt wäre…«
    »So wäre es nicht warm!… Alles sehr richtig…«
    »Wenn die Luft nicht etwa die Mitte hielte,« glaubte Clou-de-Girofle hinzufügen zu sollen.
    »Immer richtiger!« antwortete Herr Cascabel; »aber darum ist es doch verteufelt heiß!«
    Indessen hatten die Jäger ihren Sport nicht aufgegeben. Nur zogen sie sehr früh zu Felde und hatten es nicht zu bedauern. Eines Tages wurde sogar ein schöner Schuß abgegeben, welcher Jean zur Ehre gereichte. In der That wurde das von ihm erlegte Wild nicht ohne Mühe heimgebracht. Es war ein Tier mit kurzem, vorn rötlichem Haar, das aber während der Winterperiode grau gewesen sein mußte. Über seinen Rücken lief ein gelblicher Streif, wie man deren bei Maultieren sieht. Seine langen Hörner bogen sich zierlich über seinem Haupte, was

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