Cäsar Cascabel
verließen die Reisenden das Jakutenland und betraten den Grund und Boden der Ostjaken. Diese Sibirier sind ein ziemlich elendes und ungebildetes Volk, wenngleich ihr Gebiet einige reiche Bezirke – unter anderen den von Berezow – umfaßt.
Auf der Fahrt durch die Dörfer dieses Gebietes konnte man sehen, wie auffällig sie sich von den pittoresken und anziehenden Jakutenflecken unterschieden! Ungesunde Hütten, kaum zur Unterbringung von Tieren geeignet, mit einer inneren Atmosphäre, in der man nur schwer zu atmen vermag!
Diese Schlitten mit den Renntieren bespannt. (Seite 272.)
Und wo kann man abstoßendere Wesen finden, als diese Eingeborenen, in Bezug auf welche Jean eine Stelle aus der allgemeinen Geographie citierte:
»Die Ostjaken in Hochsibirien tragen eine doppelte Gewandung, um sich vor der Kälte zu schützen: eine Schmutzschicht und darüber ein Renntierfell.«
Was ihre Nahrung betrifft, so besteht dieselbe fast ausschließlich aus halbrohem Fisch und gänzlich ungekochtem Fleische.
Indessen sind die Nomaden, deren Herden in der Steppe verstreut weiden, wesentlich verschieden von den Bewohnern der Hauptmarktflecken. So fanden die Reisenden zum Beispiel in der Ortschaft Starokhantaskii eine etwas ansehnlichere Bevölkerung, wenn dieselbe auch weder gastfreundlich noch zuvorkommend gegen Fremde war.
Die Frauen, mit bläulichen Mustern tättowiert, trugen den »Vakocham«, einen roten, mit blauen Streifen verzierten Schleier, den grellfarbigen Rock und lichteren Leib, dessen Schnitt ihre Taille entstellt, und den mit kleinen Schellen verzierten Gürtel, der bei jeder Bewegung wie das Sattelzeug eines spanischen Maultieres klingelt.
Was die Männer betrifft, so sehen sie während des Winters – und teilweise auch im Sommer – wie Tiere aus, da sie in Felle mit nach außen gekehrtem Haar gekleidet sind. Ihr Kopf verschwindet unter der »Maltza« oder Kapuze und der »Parka«, in welcher Ritze für die Augen, den Mund und die Ohren angebracht sind. Unmöglich, ihre Züge zu sehen, was vermutlich nicht zu beklagen ist.
Unterwegs begegnete die Belle-Roulotte manchmal einigen jener Schlitten, die als »Narken« bekannt sind. Mit drei Renntieren bespannt, welche mittelst eines einfachen, unter ihrem Bauche hergezogenen Riemens daran befestigt sind und durch ein an ihr Geweih gebundenes Leitseil gelenkt werden, können diese Nacken sieben bis acht Meilen zurücklegen, ohne daß das Gespann Halt machen müßte, um Atem zu schöpfen.
Man durfte nicht daran denken, den vor den Wagen gespannten Renntieren eine solche Leistung zuzumuten. Aber man hatte darum keinen Grund zu Klagen; sie leisteten treffliche Dienste.
Als Herr Sergius daher eines Tages bemerkte, daß es vielleicht weise sein werde, sie durch Pferde zu ersetzen, sobald man sich welche verschaffen könne, antwortete Herr Cascabel:
»Sie ersetzen?… Weshalb denn, ich bitte Sie? Glauben Sie, daß sie nicht die Kraft haben werden, uns bis nach Rußland zu ziehen?«
»Wenn wir auf dem Wege nach dem nördlichen Rußland wären, so würde ich nichts dagegen sagen,« antwortete Herr Sergius; »aber in Südrußland ist die Sache anders. Die Renntiere vertragen keine Hitze; dieselbe erschöpft sie und macht sie arbeitsunfähig. Daher sieht man auch gegen Ende April zahlreiche Rudel von Renntieren nach den nördlichen Gebieten, insbesondere nach den mit ewigem Schnee bedeckten Hochebenen der Uralkette ziehen.«
»Nun wohl! sobald wir die Grenze erreicht haben, werden wir uns zu dem Tausche entschließen, Herr Sergius. Aber es wird wirklich ein großes Opfer sein, uns von diesem Gespann zu trennen! Stellen Sie sich nur den Effekt vor, wenn ich mit zwanzig vor den Wagen der Familie Cascabel gespannten Renntieren auf dem Jahrmarkt von Perm erschiene!… Welch ein Effekt und welch eine Reklame!«
»Das wäre gewiß prächtig!« antwortete Herr Sergius lächelnd.
»Triumphal… Sagen Sie triumphal!… Nebenbei gesagt,« fügte Herr Cascabel hinzu, »es ist abgemacht, nicht wahr, daß Graf Narkine zu meiner Truppe gehört und sich im Notfalle nicht weigern wird, vor dem Publikum zu arbeiten?…«
»Ja, das ist abgemacht.«
»Dann vernachlässigen Sie Ihre Lektionen in der Taschenspielerei nicht, Herr Sergius. Da man glaubt, daß Sie zu Ihrem Vergnügen lernen, so werden weder meine Kinder noch die beiden Matrosen sich darüber wundern. Ah!… wissen Sie, daß Sie bereits sehr geschickt sind?«
»Wie sollte ich es nicht sein, Freund Cascabel,
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