Cäsar Cascabel
zurückgekehrt war’… War er etwa verhaftet?…
Herr Cascabel entfaltete den Brief, rieb sich das rechte, dann das linke Auge, und las ihn in e inem Zuge.
Welch ein Schrei ihm da entfuhr – einer jener Schreie, die aus halb erstickter Kehle dringen! Mit zuckendem Gesichte, rollenden Augen und nervös zusammengezogenen Lippen versuchte er zu sprechen und brachte keinen Laut hervor!…
Clou mußte glauben, daß sein Herr ersticken werde, und begann ihm die Krawatte aufzuknüpfen…
Da sprang Herr Cascabel mit einem solchen Satze empor, daß sein mit kräftigem Fuße zurückgestoßener Sessel in die letzten Sitzreihen des Cirkus flog. Er fuhr wie ein Wahnsinniger umher und versetzte Clou-de-Girofle plötzlich den traditionellen Fußtritt, der ihn, da er nicht darauf vorbereitet war, mit voller Wucht traf… War sein Herr verrückt geworden?
»Ei, Herr Direktor!« rief Clou, »wir sind doch nicht auf der Parade!«
»Doch, wir sind wohl auf der Parade!« schrie Herr Cascabel. »Wir sind nie so sehr auf der grrrrroßen Sonntagsparrrrrade gewesen!«
Vor dieser Erklärung konnte Clou sich nur in Demut beugen, – was er denn auch that, indem er sich die Lenden rieb, denn der Fußtritt war wirklich ein – Sonntagsfußtritt gewesen!
Aber nun hatte Herr Cascabel seine Kaltblütigkeit wiedergewonnen und trat zu ihm hin, indem er in geheimnisvollem Tone sagte:
»Clou, du bist ein verschwiegener Bursche?«
»Gewiß, Herr Direktor… Ich habe nie etwas von den Geheimnissen gesagt, die mir anvertraut waren… wenn sie nicht etwa…«
»Still!… Genug!… Du siehst diesen Brief?«
»Den Brief des Mujik?«
»Denselben!… Wenn du dir beikommen lässest, irgend jemand zu sagen, daß ich ihn erhalten habe…«
»Das wird dir niemals begegnen… mit deiner Nase!« (Seite 330.)
»Gut!«
»Jean, Xander oder Napoleonen…«
»Wohl!«
»Vor allem aber Cornelia, meiner Frau, so schwöre ich dir, daß ich dich ausstopfen lasse…«
»Lebendig?…«
»Lebendig… damit du es fühlst, Dummkopf!«
Angesichts dieser Drohung begann Clou an allen Gliedern zu zittern.
Da ergriff Herr Cascabel ihn bei der Schulter und raunte ihm im Tone hochmütiger und überlegener Stutzerhaftigkeit zu:
»Sie ist nämlich eifersüchtig, meine Cornelia!… Und siehst du, Clou, entweder ist man ein schöner Mann, oder man ist es nicht!… Eine reizende Frau… eine russische Fürstin!… Du verstehst!… Sie schreibt mir!… Ein Stelldichein! Das ist etwas, was dir nun und nimmer begegnen wird… mit deiner Nase!«
»Nun und nimmer,« antwortete Clou, »wenn nicht etwa…«
Aber was Clou sich bei diesem Vorbehalt dachte, das hat die Nachwelt nicht erfahren!
XIV. Eine von den Zuschauern sehr beifällig aufgenommene Lösung.
Das Stück, welches den ebenso neuen wie verlockenden Titel: » Die Räuber des Schwarzwaldes « trug, war ein bemerkenswertes Werk. Im Einklange mit den klassischen Regeln der dramatischen Kunst verfaßt, fußte es auf der Einheit der Zeit, der Handlung und des Ortes. Seine Introduktion charakterisierte deutlich die handelnden Personen, seine Verwicklung war geschickt durchgeführt und seine Lösung war, wenn auch vorauszusehen, darum nicht minder effektvoll. Es fehlte nicht einmal die kräftige »Inscenierung«, welche von dem zähesten der modernen Kritiker verlangt wird, und dieselbe ließ nichts zu wünschen übrig.
Des Ferneren hätte man von Cäsar Cascabel keines jener Stücke nach heutigem Geschmack verlangen dürfen, in denen alle Einzelheiten des Privatlebens auf die Bühne gebracht werden, – eines jener Stücke, in welchen, wenn schon nicht das Verbrechen siegt, die Tugend doch jedenfalls nicht hinreichend belohnt wird. Nein! im letzten Auftritt der » Räuber des Schwarzwaldes « wurde die Unschuld formell anerkannt und das Laster in geziemendster Weise bestraft. Die Gendarmen erschienen in dem Augenblick, wo man alles verloren wähnte, und als sie den Verbrecher beim Kragen packten, erzitterte der Cirkus vom Applaus.
Unzweifelhaft wäre dieses Stück in einem einfachen, festen, persönlichen Stil geschrieben worden, voller Achtung vor der Grammatik, frei von den hochtrabenden Neologismen, den dokumentarischen Ausdrücken, den realistischen Wörtern der neuen Schule – wenn man es geschrieben hätte. Aber man hatte es nicht geschrieben. Daher konnte diese Pantomime auch an allen Theatern und auf allen Bühnen der beiden Weltteile aufgeführt werden. Ein ungeheurer Vorzug mimischer
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