Cäsar Cascabel
daß die Leinwand im Hintergrunde zittert. Es ist Jean, der leibliche Bruder der unglücklichen Braut. Er kehrt aus einem Kriege zurück, wo er die Feinde besiegt hat, – Feinde, welche je nach dem Lande variieren können, wo das Stück aufgeführt wird; in Amerika sind es Engländer, in Deutschland Franzosen, in der Türkei Russen, und so weiter.
Der tapfere und sympathische Jean kommt gerade zur rechten Zeit. Er wird seinem Willen Geltung zu verschaffen wissen. Er hat erfahren, daß Xander Napoleone liebt, und Napoleone Xander. Er stößt Clou mit kräftigem Arme zurück; er provoziert ihn zum Zweikampf; und dieser Tropf bekommt eine solche Angst, daß er sich beeilt, der Heirat zu entsagen.
Man sieht, wie packend das Stück ist, wie die Situationen in einander greifen!… Aber es kommt noch besser.
Denn als man Cornelia holt, welcher Clou ihr Wort zurückgeben will, ereignet sich ein Zwischenfall… Cornelia ist verschwunden!… Man eilt hierhin und dorthin!… Niemand!
Plötzlich dringt Geschrei aus den Tiefen des nahen Waldes. Xander erkennt die Stimme der Frau Cascabel, und obgleich es sich um seine zukünftige Schwiegermutter handelt. zögert er nicht… er fliegt ihr zu Hilfe… Offenbar ist die gebieterische Dame von der Fracassarschen Bande, vielleicht von Fracassar, dem berühmten Hauptmann der Räuber des Schwarzwaldes selber, entführt worden.
In der That ist es so, und während Jean bei seiner Schwester bleibt, um sie nötigenfalls zu beschützen, läutet Clou die Glocke und schreit um Hilfe. Ein Schuß fällt… Das Publikum schnappt nach Luft; man kann sich schwer vorstellen, daß die Aufregung im Theater jemals einen höheren Grad zu erreichen vermöchte.
Da erscheint Herr Cascabel im kalabrischen Kostüm des fürchterlichen Fracassar auf der Bühne, gefolgt von seinen Mitschuldigen, welche Cornelia trotz ihres Widerstandes einherschleppen… Aber der heldenmütige erste Liebhaber kommt an der Spitze einer Brigade bis an den Gürtel gestiefelter Gendarmen zurück… Seine Schwiegermutter wird befreit, die Räuber werden gefaßt, und der verliebte Xander heiratet seine Braut Napoleone.
Zu erwähnen ist noch, daß in Ermangelung hinreichenden Personals die Räuber sowohl als die Gendarmen nicht persönlich auf der Bühne erscheinen. Clou hat ihre verschiedenen Schreie in der Coulisse auszustoßen und macht die Sache täuschend. Was Herrn Cascabel betrifft, so ist er genötigt, sich die Handschellen selber anzulegen. Aber, man kann es nicht oft genug wiederholen, der Effekt dieser Lösung ist dank der so klaren Inscenierung ein außerordentlicher.
So war das aus dem mächtigen Schädel Cäsar Cascabels entsprungene Stück beschaffen, welches im Permer Cirkus aufgeführt werden sollte. Ohne Zweifel würde es dort seinen gewohnten Erfolg erzielen, wenn die Darsteller auf der Höhe ihrer Aufgabe standen.
Gewöhnlich war dies der Fall; Herr Cascabel gab sich sehr grimmig. Cornelia sehr eingebildet auf ihre Geburt und ihr Vermögen, Jean sehr ritterlich, Xander sehr sympathisch, Napoleone sehr rührend. Die Rollen trugen, wie man zu sagen pflegt, die Künstler. Aber man muß gestehen, daß die Familie an jenem Tage nicht eben in begeisterter Stimmung war. Sie war sehr traurig und würde es auf der Bühne zu keinem rechten Schwung bringen. Das Mienenspiel würde ungewiß sein, die Gesten nicht hinreichend deutlich… Vielleicht würden die Thräneneffekte sicherer wirken, da jedermann Lust zu weinen hatte, aber mit den Lacheffekten würde es erbärmlich aussehen!
Und als man sich zum Gabelfrühstück setzte und den Platz des Herrn Sergius leer sah – was wie ein Vorgeschmack der nahen Trennung erschien – ward man noch betrübter… Niemand hatte Hunger, niemand hatte Durst… Es war herzzerreißend!
Nun! damit war der Direktor der Truppe nicht einverstanden. Er hatte für vier gegessen. Und nach beendeter Mahlzeit zögerte er nicht, seiner Unzufriedenheit Worte zu leihen.
»Heda!« rief er; »nimmt das kein Ende?… Ich sehe lauter ellenlange Gesichter!… Von dir angefangen, Cornelia, bis zu dir, Napoleone!… Clou ist wirklich der einzige, der etwas annehmbar aussieht!… Teufel! Das paßt mir nicht, Kinder, ganz und gar nicht!… Ich will, daß man heiter sei, daß man lebhaft spiele, daß man sein Bestes thue, daß die Geschichte gefalle; sonst werde ich verflixt böse werden!«
Und wenn Herr Cascabel diesen ihm eigentümlichen Ausdruck gebrauchte, so wagte niemand, sich den Folgen seines
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