Cäsar Cascabel
waren sie sehr erstaunt über die Erscheinung dieses Russen gewesen, der weder die Haltung noch die Manieren eines Jahrmarktskünstlers hatte. Was hatte er bei dieser Gauklerbande zu suchen, die von Sakramento kommend, eine so seltsame Reiseroute verfolgte, um nach Europa zurückzukehren?
Ihr Verdacht wurde rege und sie erkundigten sich, sie beobachteten – geschickt genug, um keine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken; – sie verglichen Herrn Sergius mit der Personalbeschreibung des Grafen Narkine, und ihre Ahnung wurde zur Gewißheit.
»Ja! es ist wirklich Graf Narkine!« sagte einer von ihnen., Offenbar trieb er sich an der Grenze von Alaska herum, der Vollziehung der Annexion harrend, als er jener Marktschreierfamilie begegnete, die ihm zu Hilfe kam und mit der er sich jetzt anschickt, nach Sibirien hinüber zu gehen!«
Die Annahme war richtig, und wenn Herr Sergius auch anfangs nicht die Absicht gehabt hatte, sich über Port-Clarence hinaus zu wagen, so verspürten die beiden Beamten doch kein Erstaunen, als sie erfuhren, daß er sich zu der Reise nach Sibirien entschlossen habe.
»Das ist eine gute Chance für uns!« meinte der Beamte. »Der Graf hätte hier, nämlich auf amerikanischem Gebiete, bleiben können, und wir hätten nicht das Recht gehabt ihn zu arretieren…«
»Während er, sowie er den Fuß auf die jenseitige Küste der Meerenge setzt,« fuhr der erstere fort »auf russischem Boden steht und uns nicht mehr entgehen kann; denn wir werden auf seinen Empfang vorbereitet sein!…«
»Es ist eine Arretierung, die uns Ehre und Vorteil bringen wird!« versetzte der zweite Beamte. »Welch ein Meisterstreich bei unserer Heimkehr!…« Aber wie fangen wir die Sache an?«
»Nichts einfacher als das! Die Familie Cascabel wird baldmöglichst aufbrechen; und da sie den kürzesten Weg einschlagen wird, so ist es kein Zweifel, daß sie sich nach dem Hafen von Numana begiebt. Nun, wir werden dort vor oder zugleich mit dem Grafen Narkine eintreffen und brauchen dann nur mehr Hand an ihn zu legen.«
»Wohl, aber ich möchtelieber vor ihm in Numana sein, um die Küstenpolizei zu verständigen, damit sie uns nötigenfalls bewaffneten Beistand leiste!«
Zwei Männer unterhielten sich am Ende des Hafens. (Seite 158)
»Das werden wir thun, wenn keine unvorhergesehenen Ereignisse dazwischen kommen,« versetzte der erste Beamte. »Jene Gaukler werden warten müssen, bis das Eis stark genug ist, um ihren Wagen zu tragen; somit wird es uns leicht sein, ihnen einen Vorsprung abzugewinnen. Bleiben wir also in Port-Clarence und fahren wir fort, den Grafen Narkine zu beobachten, ohne seinen Verdacht zu erregen. Wenn er den aus Alaska heimkehrenden russischen Beamten auch nicht trauen mag, so kann er doch nicht vermuten, daß wir ihn erkannt haben. Er wird die Reise antreten; wir arretieren ihn in Numana und brauchen ihn dann nur mehr unter sicherer Bedeckung nach Petropawlowsk oder Jakutsk zu bringen…«
Und wenn jene Marktschreier ihn verteidigen wollten…« bemerkte der zweite Beamte.
»Es würde sie teuer zu stehen kommen, die Heimkehr eines politischen Flüchtlings nach Rußland begünstigt zu haben!«
Dieser sehr einfach entworfene Plan mußte gelingen, da Graf Narkine nicht wußte, daß man ihn erkannt habe, und da die Familie Cascabel nicht wußte, daß sie ein Gegenstand spezieller Überwachung geworden. So lief denn diese so glücklich begonnene Reise Gefahr, ein schlechtes Ende für Herrn Sergius und seine Gefährten zu nehmen.
Und während dieser Anschlag ersonnen wurde, waren alle von dem Gedanken erfüllt, daß sie sich nicht trennen, daß sie zusammen nach Rußland ziehen sollten. Welche Freude besonders Jean und Kayette darüber empfanden!
Selbstverständlich behielten die beiden Polizeibeamten das Geheimnis, das sie auszubeuten gedachten, für sich. In Port-Clarence ahnte niemand, daß sich eine so bedeutende Persönlichkeit, wie Graf Sergius Narkine unter den Insassen der Belle-Roulotte befinde.
Es war noch immer schwer, den Tag der Abreise festzusetzen. Man beobachtete mit außerordentlicher Ungeduld die Schwankungen der wahrhaft anormalen Temperatur, und Herr Cascabel erklärte, daß er sich noch nie so lebhaft nach einem unbarmherzigen Froste gesehnt habe.
Zudem war es von Wichtigkeit, die andere Seite der Meerenge vor Anbruch des tiefen Winters zu erreichen. Da er nicht vor den ersten Wochen des November seine volle Strenge entfalten würde, blieb der Belle-Roulotte
Weitere Kostenlose Bücher