Cäsar Cascabel
nicht erkennen, Herr Sergius! Wir sind auch schlau, und hol mich der Henker, wenn wir die Späher der russischen Polizei nicht zum Narren halten!«
»Trotzdem…« erwiderte Herr Sergius.
»Und am Ende… falls es nötig ist… werden Sie sich als Gaukler kleiden… wenn Sie sich dessen nicht etwa schämen…«
»O!… mein Freund!…«
»Und wer wird je auf den Gedanken kommen, daß Graf Narkine unter dem Personal der Familie Cascabel figuriere?«
»Sei es denn; ich willige ein, meine Freunde!… Ja!… ich willige ein!… Und ich danke Ihnen…«
»Schon gut! schon gut!« rief Herr Cascabel. »Dank!… Glauben Sie etwa, daß wir Ihnen nicht ebensoviel zu danken haben?… Also, Herr Graf…«
»Nennen Sie mich nicht Graf!… Für alle Welt… selbst für Ihre Kinder… muß ich einfach Herr Sergius bleiben…«
»Sie haben recht… Die Kinder brauchen nichts davon zu wissen… So ist es denn abgemacht, wir nehmen Sie mit, Herr Sergius!… Und ich, Cäsar Cascabel, mache mich anheischig, Sie nach Perm zu führen; ich setze meinen Namen daran, – und Sie werden zugeben, daß es ein unersetzlicher Verlust für die Kunst wäre, wenn ich ihn einbüßte!«
Was die Aufnahme betrifft, welche Herrn Sergius bei seiner Rückkehr in die Belle-Roulotte zuteil wurde, als Jean, Kayette, Xander, Napoleone und Clou vernahmen, daß er sie nach Europa begleiten werde, so kann man sich dieselbe auch ohne nähere Beschreibung vorstellen.
Fußnoten
1 Linaria = Leinkraut.
XVI. Der Abschied vom neuen Festlande.
Jetzt erübrigte es nur noch, den verabredeten Plan zur Ausführung zu bringen.
Genau betrachtet, gewährte dieser Plan viele Aussichten auf Erfolg. Da die Zufälligkeiten ihres Wanderlebens die Familie Cascabel durch Rußland und noch dazu gerade durch das Gouvernement Perm führten, so konnte Graf Sergius Narkine wirklich nichts besseres thun, als sich ihnen anzuschließen.
Wer sollte ahnen, daß der politisch Verurteilte, der aus Jakutsk Entflohene, sich unter den Genossen einer Gauklerbande befinde? Wenn keine Indiskretion begangen wurde, so war der Erfolg sicher; und wenn er einmal in Perm war und den Fürsten Wassili Narkine wiedergesehen hatte, so würde Herr Sergius seinen Interessen entsprechend handeln. Wenn er über Asien hinaus kam, ohne irgend eine Spur zu hinterlassen, deren die Polizei sich bedienen konnte, so würde er einen den Umständen entsprechenden Entschluß fassen.
Sollte er wider alle Wahrscheinlichkeit auf seiner Reise durch Sibirien erkannt werden, so konnte das allerdings schreckliche Folgen für ihn und auch für die Familie nach sich ziehen. Indessen wollte weder Herr Cascabel noch seine Frau dieser Gefahr Rechnung tragen. und wenn sie ihre Kinder darüber befragt hätten, so würden diese ihr Vorgehen gebilligt haben. Aber das Geheimnis des Grafen Narkine sollte streng bewahrt werden; es war einfach Herr Sergius, der auch fernerhin ihr Reisegefährte sein wollte.
Später würde Graf Narkine die Ergebenheit dieser ehrlichen Franzosen gewiß anerkennen, wenngleich Herr Cascabel keinen anderen Lohn wollte als das Vergnügen, ihn verpflichtet und dabei die moskowitische Polizei genasführt zu haben.
Unglücklicherweise war, was keiner von ihnen ahnte, ihr Plan von Anbeginn ernstlich gefährdet. Sobald sie die andere Küste der Meerenge erreichten, würden sie unfehlbar den größten Gefahren ausgesetzt sein und von den russischen Beamten Sibiriens arretiert werden.
In der That, schon an dem Tage, nachdem jener Plan gefaßt worden war, besprachen sich zwei Männer miteinander, welche am äußersten Ende des Hafens, wo niemand ihr Gespräch belauschen konnte, spazieren gingen.
Es waren jene beiden bereits erwähnten Polizeibeamten, welche die Anwesenheit des Herrn Sergius unter den Insassen der Belle-Roulotte überrascht und neugierig gemacht hatte.
Seit mehreren Jahren in Sitka lebend und mit der Überwachung. der Provinz in politischer Hinsicht betraut, bestand ihre Mission bekanntlich darin, die Bewegungen der Geflüchteten an der kolumbischen Grenze zu beobachten, dem Gouverneur von Alaska darüber zu berichten und die Arretierung derer, welche sich auf russisches Gebiet wagten, zu bewerkstelligen. Das Bedenklichste dabei war, daß sie zwar den Grafen Narkine nicht persönlich kannten, sich aber im Besitze seiner Personalbeschreibung befanden, welche ihnen nach seiner Entweichung aus der Citadelle von Jakutsk zugestellt worden war. Als die Familie Cascabel in Port-Clarence anlangte,
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