Cäsar Cascabel
sehr gespannt zugleich, sein Lager auf.
Worüber wünschte Herr Sergius eine Unterredung zu haben? Dachte er seine Pläne zu ändern, oder wollte er die Familie nur in den Stand setzen, ihre Reise unter günstigeren Bedingungen anzutreten, indem er sie zwang eine kleine Geldsumme von ihm anzunehmen?
Jean und Kayette schlossen die ganze Nacht kein Auge.
Am folgenden Morgen fand die Unterredung statt. Nicht aus Mißtrauen gegen die Kinder, sondern aus Furcht, von den Eingeborenen oder anderen Leuten, welche ein-und ausgingen, belauscht zu werden, hatte Herr Sergius Herrn und Frau Cascabel gebeten, ihn in einige Entfernung von dem Lager zu begleiten. Ohne Zweifel war das, was er ihnen zu sagen hatte, etwas Wichtiges, das geheim bleiben sollte.
Alle drei schlugen den Weg nach der Ölfabrik ein und nun entspann sich folgende Unterredung.
»Meine Freunde,« sagte Herr Sergius, »hören Sie mich an und überlegen Sie wohl, bevor Sie auf den Vorschlag antworten, den ich Ihnen machen werde. Ich zweifle nicht an Ihren guten Herzen, und Sie haben mir bewiesen, wieweit Ihre Opferwilligkeit gehen kann. Aber in dem Augenblick, wo Sie eine endgiltige Entscheidung treffen sollen, müssen Sie wissen, wer ich bin…«
»Wer Sie sind?… Ei! ein wackerer Mann,« rief Herr Cascabel.
»Sei’s drum… ein wackerer Mann,« antwortete Herr Sergius, »aber ein wackerer Mann, der die Gefahren Ihrer sibirischen Reise nicht durch seine Gegenwart vergrößern will.«
»Ihre Gegenwart… eine Gefahr… Herr Sergius?« antwortete Cornelia.
»Ja, denn ich heiße Graf Sergius Narkine… Ich bin ein politischer Flüchtling!«
Und Herr Sergius erzählte in kurzen Worten seine Geschichte.
Graf Sergius Narkine gehörte einer reichen Familie des Gouvernements von Perm an.
Für Wissenschaften und geographische Entdeckungen schwärmend, hatte er, wie er schon früher erwähnt, seine Jugendjahre auf Reisen in sämtliche Weltteile verwendet.
Unglücklicherweise blieb er nicht bei diesen kühnen Zügen, welche ihm wahre Berühmtheit hätten eintragen können. Die Politik griff in sein Leben ein, und im Jahre 1857 wurde er in einer geheimen Gesellschaft, in welche seine Beziehungen ihn geführt hatten, kompromittiert. Um es kurz zu sagen: die Mitglieder dieser Gesellschaft wurden arretiert, mit aller der moskowitischen Verwaltung eigenen Energie zur Verantwortung gezogen und größtenteils zu lebenslänglicher Verbannung nach Sibirien verurteilt.
Auch Sergius Narkine befand sich unter den Verurteilten. Er mußte nach Jakutsk, dem ihm angewiesenen Verbannungsorte, aufbrechen und seinen einzigen lebenden Verwandten, seinen Vater, den Fürsten Wassili Narkine, verlassen, der jetzt achtzig Jahre zählte und auf seiner Besitzung Walska in der Nähe von Perm wohnte.
Nachdem er fünf Jahre in Jakutsk verbracht hatte, gelang es dem Gefangenen zu entkommen und Okholsk an der Küste des gleichnamigen Meeres zu erreichen. Dort vermochte er sich auf einem eben abgehenden Fahrzeuge einzuschiffen und in einem kalifornischen Hafen zu landen.
Ich bin ein politisch Verbannter. (Seite 154.)
So hatte Graf Sergius Narkine denn seit sieben Jahren teils in den Vereinigten Staaten, teils in Britisch-Amerika gelebt und sich immer wieder Alaska genähert, wohin er zu gehen dachte, sobald es amerikanisch geworden wäre. Ja! er hegte die geheime Hoffnung, durch Sibirien nach Europa zurückzukehren, – genau dasselbe, was Herr Cascabel geplant hatte und that. Man kann sich vorstellen, was er empfand, als er hörte, daß diese Familie, der er seine Rettung verdankte, auf dem Wege nach der Beringstraße sei, um nach Asien hinüber zu gehen.
Begreiflicherweise empfand er den lebhaftesten Wunsch, sie zu begleiten. Aber durfte er sie den Repressalien der russischen Regierung aussetzen? Was würde geschehen, wenn man entdeckte, daß sie die Rückkehr eines politischen Verurteilten nach Rußland begünstigt habe? Und doch, sein Vater war sehr bejahrt, er sehnte sich, ihn wiederzusehen…
»Kommen Sie, Herr Sergius, kommen Sie mit uns!« rief Cornelia.
»Ihre Freiheit, meine Freunde, vielleicht Ihr Leben steht auf dem Spiele, wenn man erfährt…«
»Was liegt daran, Herr Sergius!« rief Herr Cascabel., Jeder von uns hat da oben eine laufende Rechnung, nicht wahr? Nun denn, sehen wir zu, daß möglichst viele gute Handlungen darin eingetragen werden!… Das hebt die schlechten auf!«
»Mein lieber Cascabel, bedenken Sie wohl…«
»Und übrigens wird man Sie
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