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Cäsar Cascabel

Cäsar Cascabel

Titel: Cäsar Cascabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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sich vom asiatischen Festlande befand, – wenn es nämlich gelang, diese Entfernung zu schätzen. Herr Sergius hoffte, daß sie nicht sehr bedeutend sein werde, da die Eisscholle eine unverändert westliche Richtung eingehalten hatte, nachdem sie die Kaps Kekurnii, Scheliagskoi und Baranoff, die Long-Straße und den Golf von Kolyma hinter sich gelassen.
    Warum hatten sie nicht am Eingange dieses Meerbusens Halt gemacht! Von dort aus wäre es noch immerhin leicht gewesen, die Provinz der Jukaghiren zu erreichen, in welcher Kabatschkowa, Nischni-Kolymsk und andere Marktflecken die Schiffbrüchigen gastlich aufgenommen haben würden. Man hätte mit einem Renntiergespann zurückkehren und die Belle-Roulotte aufs Festland herüberbringen können. Aber angesichts der starken Strömung begriff Herr Sergius wohl, daß man längst an dieser Bucht, sowie auch an den Mündungen der Tschukotschia und Alazeja vorübergekommen sein müsse. Die Karte wies kein anderes Hindernis mehr auf, als jene Inselgruppen, welche unter den Namen Anjou-Inseln, Liakhoff-Inseln und Long-Inseln bekannt sind. Und wie sollte man auf diesen zumeist unbewohnten Inseln Mittel zur Überführung des Personals und des Materials finden? Aber schließlich würde es doch besser sein, als sich in die äußersten Striche der Polarregion zu verirren!
    Der November war zu Ende. Neununddreißig Tage waren vergangen, seit die Familie Cascabel von Port-Clarence aufgebrochen, um sich über die Beringstraße zu wagen. Wäre der Eisbruch nicht dazwischen gekommen, so würde sie schon vor fünf Wochen in Numana gelandet sein und jetzt in irgend einem Marktflecken Südsibiriens ein sicheres Obdach gegen den arktischen Winter gefunden haben.
    Indessen konnte das Treiben nicht mehr lange dauern. Die Kälte wurde allmählich strenger und das Thermometer sank ohne Schwankungen. Eine von Herrn Sergius vorgenommene Besichtigung der Eisinsel ergab, daß sie täglich infolge des Anfrierens von Schollen, durch die sie sich einen Weg bahnte, an Umfang zunahm. Ihre Oberfläche hatte sich um ein Dritteil vergrößert und in der Nacht vom dreißigsten November auf den ersten Dezember fror sogar ein ungeheurer Eisblock an sie an. Der Block hatte einen ziemlich bedeutenden Tiefgang und die Strömung verlieh ihm eine so große Geschwindigkeit, daß die Eistafel eine halbe Wendung machen mußte und wie im Schlepptau hinter ihm herschwamm.
    Seit dem Eintritt strengerer und trockenerer Kälte war der Himmel vollkommen klar geworden.
     

    Es erregte ihre höchste Verwunderung. (Seite 216.)
     
    Der Wind blies jetzt aus Nordosten – ein günstiger Umstand, da er auf die sibirische Küste zu wehte. Die funkelnden Sterne des nördlichen Himmels erhellten die langen Polarnächte und häufig überflutete das Nordlicht mit seinem fächerförmigen Strahlenschimmer den Raum. Der Blick flog bis an den äußersten Horizont, der von den ersten Staffeln der Eisbarriere gesäumt war. Von dem helleren Hintergrunde hob sich jene ewige Eiskette mit ihren Zacken und Kuppeln, ihren Wäldern von Spitzen und Rissen lebhaft ab. Es war ein herrlicher Anblick und die Schiffbrüchigen vergaßen auf Augenblicke ihre kritische Lage, um jene dem hohen Norden eigene Naturerscheinung anzustaunen.
    Seit der Wind sich gedreht hatte und das Eis nur der Strömung gehorchte, trieb es langsamer vorwärts. Es war also wahrscheinlich, daß die Eistafel nicht mehr viel weiter nach Westen getragen werden würde, denn das Meer war stellenweise mit Eisbergen besäet. Allerdings gab dieses »
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«, wie die Walfischfänger es nennen, zur Zeit noch dem geringsten Stoße nach. Und wenn die Eistafel auch in den von den verstreut schwimmenden Blöcken freigelassenen, engen Kanälen manchmal an bedeutende Massen anstieß, so setzte sie nach mehrstündiger Unbeweglichkeit doch wieder ihren Weg fort. Indessen war ein sehr naher Stillstand vorauszusehen, der dann den ganzen Winter dauern würde.
    Am dritten Dezember hatten Herr Sergius und Jean sich gegen Mittag an den vorderen Rand der Eistafel begeben. Durch große Pelze gegen die empfindliche Kälte verwahrt, hatten Kayette, Napoleone und Xander sie begleitet. Im Süden deutete ein kaum merklicher Schimmer an, daß die Sonne den Meridian durchschnitt. Die ungewisse Helle, die durch den Raum flutete, rührte ohne Zweifel von einem fernen Nordlicht her.
    Da lenkten die Bewegungen der Eisberge, ihre bizarren Formen, ihr Aneinanderprallen und auch das Umschlagen einiger Blöcke,

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