Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cäsar Cascabel

Cäsar Cascabel

Titel: Cäsar Cascabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
Kayette überwand ihr Mißbehagen und versuchte, ihr Erleichterung zu verschaffen. Aber das einzig Wirksame wäre gewesen, eines der Fenster zu öffnen, um frische Luft einzulassen, und das machte der draußen aufgeschichtete Schnee unmöglich.
    »Mut!… Mut!« wiederholte Herr Sergius. »Wir sind schon sechs Fuß weit durch die Masse gedrungen… die Schicht kann jetzt nicht mehr sehr dick sein!«
    Nein, sie konnte es nicht sein, wenn der Schneefall aufgehört hatte… Aber vielleicht dauerte er auch jetzt noch fort!
    Da kam Jean auf den Gedanken, in die oberhalb des Ganges befindliche, vielleicht nicht mehr dicke und wahrscheinlich weniger harte Schneedecke ein schachtähnliches Loch zu hauen.
    In der That ging diese Arbeit leichter von statten und eine Viertelstunde später – es war die höchste Zeit! – drang durch die hergestellte Öffnung frische Luft ein.
    Die Inwohner der Belle-Roulotte fühlten sich augenblicklich erleichtert.
    »Ah! wie gut!« rief die kleine Napoleone, tief aufatmend.
    »Ja!« antwortete Xander, der seine trockenen Lippen mit der Zunge befeuchtete. »Es ist noch besser als Konfekt!«
    Es vergingen mehrere Minuten, bevor Cornelia, die bereits einer Ohnmacht nahe gewesen, sich einigermaßen zu erholen vermochte.
    Dann erweiterte man die Öffnung und die Männer kletterten an die Oberfläche hinaus. Es schneite nicht mehr, aber alles war weiß bis an die äußersten Grenzen des Gesichtskreises. Die Belle-Roulotte war ganz und gar unter ihrer Schneehülle verschwunden, die einen ungeheuren Höcker im Centrum des schwimmenden Eisblockes bildete.
    Mit Hilfe des Kompasses konstatierte Herr Sergius, daß der Wind noch immer aus Westen blies, daß aber die Eisscholle sich gedreht hatte, – wodurch die weniger geschützte Seite der Belle-Roulotte dem Schneetreiben ausgesetzt worden und die Verwehung des Ganges herbeigeführt worden war.
    Das Thermometer zeigte im Freien nur sechs Grad unter Null und das Meer war nicht zugefroren, soweit man das inmitten der fast völligen Dunkelheit beurteilen konnte. Übrigens ist zu erwähnen, daß die Eisscholle sich zwar, wahrscheinlich unter dem Drucke irgend einer Gegenströmung, halb gedreht hatte, aber darum doch in unverändert westlicher Richtung weiter trieb.
    Da dieser Zufall sich wiederholen und solch bedenkliche Folgen nach sich ziehen konnte, glaubte Herr Sergius, eine neue Vorsichtsmaßregel ergreifen zu sollen. Auf seinen Rat wurde auf der dem Gange entgegengesetzten Seite ein zweiter Gang durch den Eiswall gegraben. Wie sich also auch die Lage der Eisscholle gestalten mochte, die Verbindung mit dem freien Raume blieb gewahrt und man hatte keinen Luftmangel mehr zu befürchten.
    »Es ist denn doch ein vermaledeites Land,« sagte Herr Cascabel, »ein ganz vermaledeites Land… höchstens gut für Seehunde, und mit einem Klima, das sich nicht mit dem der Normandie vergleichen kann!«
    »Das gebe ich gern zu,« antwortete Herr Sergius. »Aber was wollen Sie; man muß es eben nehmen wie es ist.«
    »Ich nehme es gar nicht, Herr Sergius… nicht einmal geschenkt!«
    Nein, wackerer Cascabel, es ist nicht einmal das Schwedens, Norwegens, Finnlands während ihrer Wintersaison. Es ist das Klima des Pols, mit seiner vier Monate währenden Nacht, seinen wütenden Stürmen, seinen endlosen Schneefällen und dichten, alle Umrisse tilgenden Nebelschleiern.
    Und wie beängstigend die Zukunft aussah! Welchen Entschluß sollte man fassen, wenn nun das Treiben ein Ende erreichte, die Eistafel festlag und das Meer ein einziges ungeheures Eisfeld bildete? Sollte man die Belle-Roulotte verlassen und die Strecke von mehreren Hundert Meilen bis an die sibirische Küste ohne sie zurücklegen? Der Gedanke war wahrhaft schrecklich! Herr Sergius fragte sich, ob es nicht ratsam sein würde, an dem Orte, wo der schwimmende Block stehen blieb, zu überwintern, um wenigstens bis zur Rückkehr der milden Jahreszeit den Schutz jenes rollenden Hauses zu genießen, das zweifelsohne nie mehr rollen würde. Ja! im schlimmsten Falle würde es nicht unmöglich sein, die Zeit der großen Kälte auf solche Weise zu verbringen! Aber ehe die Temperatur wieder stiege, ehe das Eisfeld in Trümmer ging, würde man das Winterquartier räumen und die tauende Eisdecke überschreiten müssen.
    Übrigens waren die Schiffbrüchigen noch nicht so weit und man würde gegen Ende des Winters hinlänglich Zeit haben, sich darüber zu beraten. Man würde mit der Entfernung rechnen müssen, in der man

Weitere Kostenlose Bücher