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Cäsar läßt grüssen

Cäsar läßt grüssen

Titel: Cäsar läßt grüssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
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Dämmerlicht, noch bei Fackeln und Öllampen, wurde abgeladen. Dann klappten bald überall die Fensterläden auf, die Türen wurden entriegelt und aufgestoßen, die Hunde sausten los, der Tag begann.
    Das Forum lag in diesem Augenblick noch in völliger Stille. Die Sonne kam langsam über dem Esquilin hoch, strahlte zuerst das Kapitol mit dem Jupitertempel und der Arx, der alten Burg (heute natürlich Kirche) an und ließ dann die Giebel der Forumbauten in ihrem Gold aufblitzen, während der Platz noch im bläulichen Schatten lag. Die Pinien des Palatin und Coelius wechselten vom Schwarz zum samtnen Grün; im Nordwesten, über dem Dächermeer, kamen die Maurergerüste des Pantheon, das Agrippa gerade privat für die Schirmgötter des Julischen und seines eigenen Hauses bauen ließ, ins Morgenlicht. Rauch stieg aus Kaminen auf, aha, die Sklaven waren dabei, die heißen Bäder zu bereiten, oder Mama am Pincio die warme Suppe.
    Die Sonne hatte den Dachfirst des »Tempels des vergöttlichten Caesar« erklettert, und jetzt lag das ganze Forum im Licht.
    Die ersten Gestalten erschienen, die Toga fröstelnd an die Brust gedrückt (denn Augustus hatte »gebeten«, das Forum nicht mehr mit Mänteln, sondern nur in der klassischen Toga zu betreten), Pförtner und Stadtdiener eilten in den Dienst, dann die ältlichen, in aller Welt pedantisch gravitätischen Schreiber und Archivare, und mit jeder späteren Stunde die sichtbar höheren und vornehmeren Herren, Generäle, die es nicht lassen konnten, zu ihren Ausschüssen in klirrender Uniform zu erscheinen, dann Senatoren in ihren Togen mit dem Purpurstreifen, ein Konsul mit den Liktoren, und schließlich die Vestalinnen, die einzeln oder in Gruppen die paar Schritte von ihrem Atrium zum Tempel hinüberschwebten, ohne rechts und links zu sehen.
    Die ersten Stunden waren die rumorigsten; die kleinen Leute schwärmten aus, die Männer zur Arbeit, die Frauen zum Markt, die Kinder auf die engen sandigen Straßen; in den reicheren Häusern zogen die Sklaven los zum Einkäufen oder brachten die Kinder zum Magister, falls nicht ein Lehrer ins Haus kam. Der Arzt stellte sich ein (hinter ihm der Sklave mit der Instrumententasche) und machte seine Visite wegen des kleinen Töchterchens, das immer noch ein bißchen fieberte. Ein tüchtiger Mann, der Doktor, hatte drei Jahre in keinem geringeren Asklepieion als Kos studiert! Er horchte die Lunge der kleinen Dame ab, zählte den Puls, untersuchte die Netzhaut und die Schleimhaut und verschrieb dann Kräuter und geriebene Holzkohle, hellsichtig wie Hippokrates. Bald erschienen die Friseuse, die Masseuse, die Schneiderin, die vielen Freundinnen.
    Ein großes Gehen und Kommen war in den Morgenstunden auch unter den Männern. Wer Rang und Ansehen hatte, machte täglich schnell seinen Sprung zum Nachbarn, der noch mehr Rang und Ansehen hatte, oder zu ein paar Freunden, ehe er selbst seine »Klienten« empfing, jene kleinere oder größere Schar von Anhängern, die er protegierte, deren er sich für alle möglichen Vorhaben und Geschäfte bediente, und die ihm auf der Straße sogar wie ein Rattenschwanz folgte. Eine der seltsamsten Erscheinungen dieser Zeit! Ein bißchen verrückt und unerklärlich, denn solche Patrone und Klienten gab es bis hinunter zum Großfleischer und Weinhändler, und es lag sogar ein Hauch von juristischer Verpflichtung darüber, zumindest aber das Noblesse oblige der Fürsorge. Die Triebfeder war sicher auf der einen Seite die zunehmende Berufslosigkeit der mittleren Stände und auf der anderen Seite das schmeichelnde Bewußtsein einer »Hofhaltung«. Man konnte es sich leisten.
    Rom war unermeßlich reich geworden. Nur die unerschrockene Schar der Dauerproletarier, die Berufsunglücklichen, mahnte, daß das Paradies noch nicht erreicht sei. Die Handwerker waren nicht mehr arm, den Arbeitern ging es gut, die Geschäftsleute waren reich. Wenn Sie wieder einmal nach Rom kommen, sehen Sie sich an der Porta Maggiore das Grabdenkmal an, das sich ein Bäcker setzen ließ: Ich hätte es für den Haupttresor der Bank von England gehalten. In Rom gab es zur Zeit des Augustus mindestens fünfzig Häuser, in denen goldene Betten standen, und mindestens fünftausend, in denen man von Silber aß. Dabei erinnere ich mich an einen Brief, den noch kurz vor den Punischen Kriegen ein karthagischer Gesandter nach Hause schrieb: »Ich habe jetzt nach und nach in ganz Rom herumgespeist, und überall auf dem nämlichen Silber.« Eine Familie

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