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Cäsar läßt grüssen

Cäsar läßt grüssen

Titel: Cäsar läßt grüssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
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hatte es der anderen ausgeliehen! Nicht schwer, es wiederzuerkennen. Jetzt war es das karthagische, auf dem man speiste.
    Um die vierte Stunde, gegen zehn Uhr, vielleicht einmal früher oder später, erwachte in seiner bescheidenen Villa auf dem Palatin (das alte Haus in der Ringschmiedengasse hatte er endlich aufgegeben) der Herr der Welt, Gaius Julius Caesar Octavianus Augustus. So spät? Eine Schande für jeden Römer — natürlich nicht für ihn. Wer weiß, vielleicht schlief auch Jupiter lange.
    Augustus war müde. Er war eigentlich immer müde. Wenn er bis tief nach Mitternacht gearbeitet hatte, konnte er schwer einschlafen. Manchmal ließ er einen Vorleser kommen, manchmal grübelte er vor sich hin, bis ihm endlich die Augen zufielen.
    Wie spät war es? Er rief den »Nomenclator«. (Jedes vornehme Haus hatte einen Nomenclator, der hauptberuflich nichts weiter zu tun hatte, als die Uhrzeit zu wissen und alle Namen, Adressen und Telefonnummern der ganzen Stadt zu kennen.) Augustus warf sich den Morgenmantel über und ging in einen Nebenraum, wo die Diener bereits mit dem Bade warteten. Keine große Sache, nicht wie bei Maecenas! Er setzte sich in einen hölzernen Bottich und »plätscherte abwechselnd ein bißchen mit Händen und Füßen« (Sueton). Dann ließ er die Prozedur des Salbens über sich ergehen und erkundigte sich nach dem Terminkalender. Als er hörte, daß ihm heute weder die Tortur einer Reise noch die Qual einer Amtshandlung bevorstand, wurde er zusehends heiterer.
    Um elf kam der Arzt. Dr. Antonius Musa. Er kam zum erstenmal. Maecenas hatte ihn besorgt; ein sehr, sehr guter Arzt, aber sehr lästig. Er untersuchte den Kaiser und stellte fest, daß die Kuren in den heißen Quellen nichts genützt hatten. Musa änderte die Behandlung vollständig. Zum Schrecken Augustus’ und zu unserem heutigen Staunen verordnete er die erste Kaltwasser-Kneippkur der Welt. »Dominus«, sagte der Arzt, »ich verspreche dir...«, aber weiter kam er nicht, denn Augustus fuhr ihn an: »Wenn du mich noch einmal >Gebieter< anredest, bist du das letzte Mal hier gewesen. Ein freier Römer hat keinen Gebieter, und ich bin der letzte, der es sein will. Du hast mich mit deiner scheußlichen Kaltwasserkur schon genug geärgert. Komm morgen wieder, ich danke dir.« Nach diesem Besuch wurde (historisch) Antonius Musa der Modearzt Roms. Wer zur Gesellschaft gehörte, übergoß sich jetzt mit kaltem Wasser und ging in Bächen spazieren.
    Augustus kleidete sich an, wobei er auch die Sandalen wechselte. Er trug gern Schuhe mit dicken Sohlen, die ihn größer erscheinen ließen. Livia, seine Frau, kam. Er begrüßte sie herzlich. Sie begleitete ihn zum Frühstückstisch. Er hockte sich nur auf einen Schemel, trank etwas Milch und aß ein bißchen Schwarzbrot mit Quark. Dann ging er in sein Arbeitszimmer und hinterließ für die Senatoren, die die durchgearbeiteten Akten abholen würden, eine Notiz. Er schrieb sauber und sorgfältig. Sein Latein war tadellos, aber etwas merkwürdig. Wenn er z. B. mahnte, die Dinge müßten hingenommen werden, wie sie eben seien, schrieb er: »Seien wir zufrieden mit dem Cato, den wir haben!« Statt »töricht« schrieb er regelmäßig »saudumm«, statt »schwarz« oder »gelb« benutzte er beharrlich »schwarzfarben« oder »gelbfarben«. Statt »sumus« (wir sind) erfand er »simus« (wir seind). Bei Worten, die er am Ende einer vollen Zeile trennen mußte, setzte er den zweiten Teil nicht auf die neue Zeile sondern unter die erste Silbe, sodaß das ganze Manuskript von zweistöckigen Worten wimmelte. Es freute ihn, wenn sich die Schreiber ärgerten.
    Jetzt ließ er die Liegesänfte fertigmachen und sich zu Maecenas tragen. Auf der Via triumphalis zwischen Palatin und Coelius wurde er erkannt, obwohl keine Liktoren oder Offiziere ihn begleiteten. Die Leute blieben stehen und grüßten ehrerbietig; ein Alter rannte zur Sänfte, warf eine Bittschrift hinein und wollte ängstlich kehrtmachen, als die Stimme des Augustus ihn festnagelte: »Halt! Was fällt dir ein, wegzulaufen? Ich will nicht, daß du dich vor mir fürchtest wie vor einem Zirkuselefanten, dem man eine Münze zuwirft. Komm her, gib mir dein Täfelchen in die Hand. So ist es gut. Ich werde es lesen; vale!«
    Er las: »Die Fische von Marcus Linius auf den Nundinae der Via lata sind immer verdorben. Mein Sklave ist daran gestorben. Ich bin Publius Publicius, der Silberschmied.« Er legte die Tafel unter das Kopfkissen.
    Maecenas kam der

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