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Cäsar läßt grüssen

Cäsar läßt grüssen

Titel: Cäsar läßt grüssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
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des Friedens, in denen Rom zu dem erblühte, wovon uns heute noch die Ruinen erzählen.

    *

    »Mir ist das königliche Rom zu groß.« (Horaz, VII. Epistel.)
    Mir auch. Aber es ist zu spät. Die letzte Möglichkeit, diese Stadt, die längst die sinnlose Hypertrophie sterbender Zivilisationen zeigte, zu zweiteilen, hätte Sulla gehabt, wenn er Konsuln, Senat und Tribunen gezwungen hätte, mit jedem Konsulat den Sitz der Regierung zu wechseln: es gab mindestens zwei Städte, die dazu prädestiniert waren, Mediolanum (Mailand) im Norden (es wurde später für hundert Jahre tatsächlich Residenz) und Tarentum (Tarent) am Ende der Via Appia im Süden. Unter Caesar war es schon fast zu spät, unter Augustus endgültig. Das Schicksal mußte seinen Lauf nehmen.
    Nicht wahr, Sie waren schon einmal in Rom? Dann haben Sie also den fürchterlichen Schreck schon hinter sich. Als ich das Forum, diesen verlassenen, verwahrlosten Schutthaufen, diesen traurigen toten Geröllplatz, zum erstenmal gesehen hatte, habe ich nachts davon geträumt. Ich konnte lange das Bild nicht loswerden; immer sah ich die Gestalten der Fremden wie durch einen aufgelassenen Friedhof gehen, ab und zu sich bücken, als wollten sie eine alte Inschrift entziffern, ab und zu hinübersehen zu den blaublitzenden Asphaltstraßen, auf denen die Omnibusse in Richtung Colosseum vorbeirauschten, während drei Meter unter der Erde die Reste des Forums von Gaius Julius Caesar schlafen. Wohin ich im Traum mein Auge wandte, überall starrten mich hinter drei alten Säulen skurrile Fassaden katholischer Kirchen an, die sich fett in den letzten Marmor gesetzt hatten mit der Anmaßung der Ignoranten und mit dem Haß der Rache. Und immer hörte ich die Stimme des Fremdenführers: »Treten Sie etwas nach rechts herüber, damit die Säulen Ihnen nicht den Blick versperren; dann sehen Sie die Reste der Maxentius-Basilika, von der man zu der Kirche Santa Francesca Romana gelangt, die im zehnten Jahrhundert errichtet und mehrfach aus den umliegenden Steinen umgebaut wurde. Die Fassade stammt aus dem siebzehnten, der Glockenturm aus dem zwölften Jahrhundert. Im einschiffigen Inneren steht das Denkmal von Papst Gregor XI., das nach dem Willen des römischen Volkes diesem Papst in Dankbarkeit gesetzt wurde. Die Kirche steht auf dem Fundament des einstigen Tempels der Venus und der Roma. Hinter dem Eingang zum Forum liegt die Kirche San Lorenzo in Miranda, weiter hinten — treten Sie bitte hierher — befindet sich die Kirche des Heiligen Kosmas und Damian, ein Umbau des früheren Templum sacrae Urbis. Im Inneren dieser einschiffigen Kirche Mosaikarbeiten und Dekorationen aus dem siebzehnten Jahrhundert. Der einstige Tempel des göttlichen Romulus bildet heute die Vorhalle der Kirche.«
    Die Völkerwanderung des 5. Jahrhunderts ist über das alte Rom hinweggegangen und hat es ausgeraubt, und im 9. Jahrhundert ließ ein Erdbeben die Bauten Zusammenstürzen — zwei »Natur«-Ereignisse, zerstörend, aber ohne geistige Verantwortung. Erst später geschah, was die Menschenwürde beleidigt — wie so vieles Schlimme in der Welt — ad maiorem Dei gloriam.
    Aber was höre ich, Sie waren noch gar nicht in Rom? Dann geben Sie mir Ihre Hand, wir wollen zusammen zum Forum Romanum gehen.
    Ich bin in diesem Augenblick Ihr Cicerone. Das Wort kommt, wie Sie richtig erraten, von Cicero. Es bezeichnet einen Mann, der beredter ist und faszinierender spricht als Marcus Tullius Cicero. In Fremdenverkehrsorten hat das Wort mitunter den mitleidigen Beigeschmack eines Schwätzers. Ich füge das für meine Kritiker hinzu, um ihnen die Möglichkeit eines kleinen Scherzes zu geben.
    Lassen Sie uns nicht die große Prachtstraße hinab zum Eingang, dem heutigen Eingang mit der Kasse, gehen, und schauen Sie vorläufig auch nicht rechts oder links, schließen Sie die Augen, ich führe Sie.
    Wir biegen rechts ab, die Straße steigt etwas an, es ist die Via del Tulliano. Was Sie hören, ist nicht das Rauschen und Raunen der Volksversammlung, es sind Autos. Und es ist nicht der Duft des alten Roms, der uns umweht, sondern der Duft der großen Welt, meist Shell und Esso. Hier ist ein Geländer, drehen Sie dem Verkehr den Rücken, ehe... Sie sagen, wir wollten doch zum Forum Romanum? Aber, meine liebe Begleiterin (falls männlich: das Wort »liebe« durch »verehrter« ersetzen), wir stehen ja mitten drauf! Diese fabelhaft praktische Straße zerschneidet das Kopfende des alten Forums genau zwischen dem Fuß des

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