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Cäsar läßt grüssen

Cäsar läßt grüssen

Titel: Cäsar läßt grüssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
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Tarentum von Namen und Angesicht. Wohnen tut die Tante in einer Neubauwohnung am Zubringer zur Via Appia. Das Leben geht halt so dahin, ruhig und ungestört; von Rom merkt man gar nichts. Der Freundeskreis schmilzt zusammen, die neue Generation ist in ihrem Geldraffen, in ihrem Managertum und in ihrer Sittenfreiheit fremd geworden. Zu den Circus-Spielen geht sie nie, ins Theater, wo immer ein fürchterliches Gedränge herrscht, nur noch selten. Man spielt heutzutage lauter Blödsinn. In ihrer Jugend, damals unter Kaiser Nero, Gott, was waren das für schöne Aufführungen und Konzerte! Nero soll ja viel Unrecht getan haben; das kann schon sein, aber er war bestimmt ein feinsinniger Mensch. Sie hat ihn einmal gesehen! Nicht als Sänger, sondern als Wagenlenker. Ein imposanter Mann, sehr fesch. Damals waren alle Mädchen in ihn verliebt, wie er da mit dem goldenen Lorbeer im Haar an den Tribünen vorbeibrauste. Er wurde Sechster, aber die Richter erklärten ihn zum Sieger. Tante weiß nicht mehr, warum, aber sie ist heute noch sehr einverstanden. Na ja — »aus der Jugendzeit, aus der Jugendzeit / klingt ein Lied mir immerdar / oh wie liegt so weit, oh wie liegt so weit / was mein, was mein einst war«. Ein Neffe ist nach Rom gegangen, er ist Fachmann für Aquädukte. Solche Leute sind gesucht, er hat schon eine städtische Anstellung. Der andere Neffe ist in Athen und studiert Philosophie. Hoffentlich ist das nicht eine brotlose Kunst. Die Kaiser mögen die Philosophen nicht; Domitian, Gott hab ihn selig, er soll auch viel Unrecht getan haben, hat gesagt, die Philosophen seien Schwätzer, die alles in der Welt in Frage stellen und dem Volk den Kopf verwirren. Aber es ist ja jetzt Mode, alles zu zerschwatzen. Na ja, für den Rest ihres Lebens wird die Welt ja wohl noch halten, und der Laden geht ganz gut. Und wenn die Kräuterbäder das Rheuma etwas bessern, ist sie zufrieden. Nächsten Ersten will sie sich das Hühnerauge rausschneiden lassen.
    Onkel in Verona geht es auch gut. Viel besser sogar. Er ist sechsundvierzig. Reserveleutnant. Das war früher was! Heute braucht der Kaiser keine Reserve mehr. Aber Schwert und kurzer Schild an der Wand machen immer noch Eindruck. Couleur sozusagen. Vor allem wenn seine Weinbauern mal hereinkommen, wissen sie gleich, was es geschlagen hat; Onkel besitzt die Weinhügel nördlich von Verona am Mons Lessinus. Der »Valpolicella« ist seiner. Onkel hat vierzig Arbeiter auf den Feldern, alles Euganeer, gute Leute. Na, nun sind sie ja auch römische Bürger, und man muß sie mit Samthandschuhen anfassen. Aller Unsinn kommt aus Rom. Das kostet den Kaiser einen Federstrich und den Onkel zehn Prozent Lohnerhöhung. Aber die Leute werden noch Gott den Herrn erkennen lernen, wenn die Entlassungen kommen. Auch Onkel wird nicht drumrum kommen, seit Domitian die Beschränkung des Weinbaus wegen Überpoduktion befohlen hat. Na, vielleicht kann er die Leute auf den Obstplantagen seines Schwagers unterbringen. Also wirklich: Nur Unsinn aus Rom. Anstatt eine größere Garnison nach Verona zu legen, damit überhaupt etwas Leben in die Stadt kommt. Vorher hat es doch gar keinen Sinn, das Amphitheater, von dem sie seit Jahren reden, zu bauen. Man spricht von fünfundzwanzigtausend Plätzen! Verona hat ja kaum mehr Einwohner mit Kind und Kegel. Dieses Geldverpulvern ist typisch für die Kaiser. Onkel ist Eques und Republikaner, alte Tradition. Er sagt immer: So viel Unfug wie ein einzelner können viele gar nicht machen. Unter Titus sagte er das ungeniert laut, aber in den letzten Jahren — Rom hat lange Ohren. Na, nun ist Domitian ja tot. War kein schlechter Mann, ehe er in jeder Ecke Gespenster sah. Wer weiß, was jetzt kommt. Bin zweihundert Jahre zu spät geboren, sagt Onkel immer, und Marcus, sechzehn Jahre, sein zweiter Junge, lacht dann, holt aus seinen Schulbüchern den Plutarch heraus, schlägt das Kapitel Marius auf und sagt: das wär’s etwa damals gewesen, Vater- Die Jungens sind alle monarchistisch, seltsam; genauso Gnaeus, der schon Hauptmann in Colonia Agrippina am schönen Rhein ist. Sie wollen von Politik nichts mehr wissen. Der Staat, so wie er ist, genügt ihnen. Sie wollen Ruhe und ihr Leben genießen. Gnaeus schreibt interessante Briefe aus Colonia Agrippina. Onkel hat da immer noch so eine Art Feldlager vor Augen gehabt, aber es ist ja eine richtige Stadt geworden; Gnaeus schreibt, sie sei viel größer als Verona, und der Rhein sei eine Wucht. Häuser wie in Verona, zwei-

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