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Cäsar läßt grüssen

Cäsar läßt grüssen

Titel: Cäsar läßt grüssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
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einziger Lavablock. Ein Anblick — nie zuvor gesehen, grausig.
    Titus sandte Hilfscorps unter Führung eines Konsularen hinunter, ließ Lebensmittel, Kleidung, Geld verteilen und Unterkünfte errichten, bis die Umsiedlung der Überlebenden (ca. fünfzehntausend) in die Wege geleitet werden konnte.
    Stabiae, nur halb zerstört, kehrte mühsam zum Leben zurück; Pompeii und Herculaneum blieben tot, begraben, verschwunden. Im Mittelalter waren sie fast nur noch eine Sage.
    Tausendsiebenhundert Jahre lang ruhte Pompeii unter der Erde. Heute ist bis auf wenige Teile alles ausgegraben, und eine Wanderung durch die Straßen ist schöner als ein Gang über das römische Forum, erschütternder und melancholischer. Man geht über die alten Quadern der Bürgersteige, überquert wie einst in der Antike die Fahrbahnen auf den zwei erhöhten Steinen, die die Radspuren freilassen, aber vor den entlangschälenden Regenwassern schützen; man sieht noch die Sperrsteine am Eingang der Gassen, die zum pompeianischen Forum führten; rechts und links ragen die Hausmauern als Ruinen in die Höhe, bekritzelt mit Kinderzeichnungen oder noch beschriftet mit Wahlparolen; überall stehen die Säulen noch; die Stadtmauern mit ihren Türmen sind noch da, die Gewölbe der Weinkeller, die Öfen der Bäckereien, die Kornmühlen, die Steintische der Schenken, die herrlichen Peristyle der vornehmen Villen mit ihren Fresken, den Brunnen, Fischteichen, Hausgeräten und intimen Dingen, das Amphitheater mit seinen Sitzrängen, die verschachtelten Thermen, ja sogar die Liebeskämmer-chen der städtischen Lupanare. Es stehen noch die Giebel der Markthalle, die Mauerreste der »Industrie-und Handelskammer«, des Finanzamtes, der Sporthallen, der Gladiatorenkaserne und des augusteischen Theaters, das fünftausend Personen faßte und mit eine Zeltdach überdeckt werden konnte.
    Tröstlich ist das Grün, das überall wieder zum Leben erwacht ist. Hohe Zypressen, Pinien, Palmen, Sträu-cher und Blumen stehen zwischen den Ruinen, Zeugen der ewigen Wiedergeburt des Lebens.
    Wunderschön sind einige Villen, die der Spaten ans Tageslicht gebracht hat. Das Haus der Vettier ist mit seinem herrlichen Innengarten voller Blumen, Plastiken, Springbrunnen und Vasen ein Idyll. Die sogenannte Villa des Faun (nach der Plastik im Peristyl benannt) ist heute noch ein südländisches Märchen. Vielleicht war es die sagenhafte Villa des Maecenas.
    Vor den Toren der Stadt lagen das Landhaus des Cicero und ein Sommerpalast, der nach dem Thema seiner kostbaren, leuchtenden Wandmalereien den Namen »Villa der Mysterien« trägt, aber wahrscheinlich Haus der Julier heißen müßte. Man hat in ihm eine große Statue der Livia, Gemahlin des Augustus, und einen entzückenden Marmorkopf des Marcellus, des jugendlichen ersten Gatten der Julia, gefunden. Im Garten, der noch voller Rosenwurzeln war.
»Wie fremd und wunderlich das ist,
daß immerfort in jeder Nacht
der leise Brunnen weiterfließt,
von Ahornschatten kühl bewacht,
und immer wieder wie ein Duft
der Mondschein auf den Giebeln liegt
und durch die kühle dunkle Luft
die leichte Schar der Wolken fliegt.« *

    *

    Noch ein zweites Unheil traf den guten Kaiser Titus. Eine Feuersbrunst zerstörte zum zweitenmal einen Teil Roms, vernichtete das Kapitol und das Pantheon Agrippas und konnte erst nach drei Tagen gelöscht werden. Die Obdachlosen zählten zu Zehntausenden, Kranke und Verwundete lagen auf den Straßen, Seuchen brachen aus — eine Katastrophe, die Pompeii vergessen ließ. Titus, mitten im Volk stehend, tröstete, beruhigte, half.
    Die »Liebe und reine Freude« des Volkes blieb den Römern im Gegensatz zu den bösen Kaisern, die ein zähes Leben zu haben scheinen, nur drei Jahre erhalten. Auf einer Reise in seine sabinische Heimat packte ihn das Fieber der römischen Seuche und warf ihn in dem Haus seiner Vorfahren, in dem er eingekehrt war, nieder.
    Der riesige starke Mann, der abgehärtete, bullige Soldat blieb diesmal nicht Sieger. An den Iden des September 81 n. Chr. starb Titus in der Blüte seiner Mannesjahre. Das Volk trauerte wie um einen Vater und Bruder. Es hat ihn nie vergessen.

    *

    Ein drittes Mal, nach Augustus und Titus, wiederholte sich das Wunder der Metamorphose nicht. Die Römer hofften vergeblich auf Domitian, der jetzt den Thron bestieg.
    Er war zwölf Jahre jünger als sein Bruder Titus, er sah ihm ähnlich, war aber ein ganz anderer Charakter: ehrgeiz-zerfressen von Jugend an, ärgerlich auf den

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