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Cäsar läßt grüssen

Cäsar läßt grüssen

Titel: Cäsar läßt grüssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
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Plastiktüten. Die Situation ist also ganz natürlich; belämmert 1 , aber normal.
    Nun könnten uns die Etrusker, abgesehen davon, daß sie heutzutage ihren Mann ernähren, ja egal sein, wenn sie damals nicht gebietsmäßig, kulturell und militärisch die wahren Herren der italienischen Halbinsel gewesen wären. Eher hätten wir uns Rom bis hierher sparen können und würden es auch, wenn wir von der grandiosen Geschichte der Etrusker nur mehr wüßten. Rom war ein Provinznest; eine Stadt wie Veji dagegen ein etruskisches Athen. Aber, so ist es, Rom lebt und Veji ist ein Acker. Schon Properz, der Friedrich Rückert Roms, hat es elegisch besungen:
»Ach, altes Veji! Auch du
warst einst ein Königreich,
und auf deinem Forum
stand ein Thron aus Gold.
Heute tönt zwischen Ruinen
das Horn des schläfrigen Hirten
und über den Gräbern
mähen sie die Felder.«

    Einst blickten zyklopische Mauern mit großen Torbögen aus Keilsteinen, Türme, steinerne Häuser, Tempel und Götterbilder von den Bergkuppen über das Land, als Rom noch an seiner ersten Tiberbrücke herumwurstelte. Die Etrusker legten ihre Städte gern auf Höhen; sogar am Meer suchten sie sich Hügel aus (sie waren große Seefahrer, aber geliebt haben sie das Meer nicht). Ihr Faesulae, das heutige Fiesole, lag hoch, auch Arretium (Arezzo), Perusia (Perugia), Clusium (Chiusi), Cortona, Volaterrae (Volterra), Urbsvetus (Orvieto), Vulci (Volce), Tarquinii (Tarquinia), Vetulonia (Poggio Colonna), Caere (Cervateri), Veji (bei Isola Farnese) und Volsinii (Bolsena).
    Versunkene Welten. Manche dieser Märchenstädte haben im Mittelalter noch einmal ein neues Leben begonnen, verschwiegen über die alte Zeit, trotzig und unheimlich wie das heutige Volterra oder ironisch lächelnd wie Fiesole.
    Mindestens zwölf von diesen Städten waren einst kleine Reiche mit Königen oder Aristokratien. Ich sage »Reiche« — sicherlich konnte man ihre Grenzen in fünf Stunden mit dem Fahrrad abfahren. Aber größer waren auch Athen, Korinth, Theben nicht. Wir müssen, entgegen unserer Schulweisheit, die Landkarte der Apennin-Halbinsel ganz ähnlich der griechischen sehen. Nicht nur die Landkarte mit ihrem Flickenteppich, auch die Kultur. Sie war griechisch-orientalisch und stand der gleichzeitigen ionischen bestimmt nicht viel nach. Plastiken wie der Gott von Veji (heute in Rom, Villa Giulio) zeigen griechisch-archaische Züge, das starre Lächeln, das wir so gut von den Koren der Akropolis kennen, die stilisierten Locken, den puppenhaften Ansatz der Glieder und die strengen Plisseefalten des Gewandes. Andere wunderschöne Beispiele sind die beiden liegenden Gestalten auf dem Sarkophag von Caere (Villa Giulio) und das Fabeltier aus Arezzo (Florenz). Und dann vor allem die böse, lauernde »Wölfin«, die also alles andere als römisch ist! Erst das 15. Jahrhundert fügte die zwei verniedlichten Knäblein hinzu. Einst war sie das faszinierende Symbol der Wachsamkeit und Gefährlichkeit.
    Die noch heute erhaltenen etruskischen Stadttore von Volterra und Perugia mit ihren gewaltigen Bögen könnten nicht schöner in Hellas gewesen sein. Die Häuser hatten, wie die Votiv-Nachbildungen zeigen, hohe Walmdächer, mit Ziegeln gedeckt, zahlreiche Räume und ein offenes Atrium. Die Nekropolen waren riesig, denn jedes Grab erhielt einen Hügel oder eine in den Fels gehauene Kammer. Die Särge der Vornehmen waren aus Marmor oder Alabaster. Fresken, farbensprühend und lebensfroh, erzählen noch in den Totenkammern von den Freuden des Lebens, von Gelagen, Tänzen und Spielen, von Segelfahrten, von Jagden in den dichten Wäldern der Täler oder an den lichten, schon mit silbriggrünen Oliven bestandenen Hängen.
    Als Tarquinius Priscus Rom eroberte und sich entschloß, gleich da zu bleiben, standen die Etrusker auf der Höhe ihrer Macht und ihrer Kultur. Für die Römer muß es gewesen sein, als ob sich eine Schleuse öffnete. Der Niveau-Unterschied war so groß, daß es wie eine Sturzwelle über sie hereinbrach. Da war zum Beispiel das Alphabet; nie vorher davon gehört! Keine Zauberei. Dann die Statuen! Unglaublich, daß Mars leibhaftig vor ihnen stand; daß man ihn berühren konnte. Vorher war er eine Lanze, ein Speer gewesen, den man in den Boden gerammt hatte. Man sah auch zum erstenmal eine Münze, sie war aus Kupfer, wog ein halbes Pfund und sollte zehn Schafe wert sein, weiß der Himmel, warum. Die Frauen sollten nicht nur Menschen genau wie die Männer sein — was an sich schon durch

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