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Cäsar läßt grüssen

Cäsar läßt grüssen

Titel: Cäsar läßt grüssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
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ausgewählt, den sichersten, den gesündesten, den wasserreichsten und verkehrsgünstigsten. Hier gibt Cicero sich einer kleinen Täuschung hin. Das Tal war zu jener Zeit ein abscheulicher Fiebersumpf, den der Tiber alljährlich überschwemmte und der wahrscheinlich, weil man in den Niederungen die Toten beerdigte, auch noch stank. Trinkwasser gab es überhaupt nicht; man mußte den Regen sammeln. Verkehrstechnisch lag Rom katastrophal. Der Tiber war am Palatin nicht leicht zu überqueren, die nächste Furt lag Meilen aufwärts. Nichts war bewundernswert, fast alles war miserabel. Die Wahrheit ist, daß sich die Stadtgründer (Einwanderer vom Meer her oder ein wandernder Latiner-Stamm) diesen Platz keineswegs ausgesucht haben. Sie kamen bloß nicht weiter. In den schönen Albanerbergen, wo heute die Sommerresidenz des Papstes liegt, und in den sabinischen Hügeln um Tivoli saßen schon andere. Frei war nur noch das Fieberloch mit seinen kümmerlichen sieben Hügeln.
    Daß niemand ihnen diese Parzelle streitig machte, ist sicher; aber daß sie in einer Mausefalle saßen, war ebenso sicher. Tatsächlich scheinen sie schon sehr bald vereinnahmt worden zu sein, vermutlich ganz friedlich, denn — und nun kommt ein Faktum, das wir noch nicht lange kennen — Numa Pompilius war gar kein Römer, sondern ein Sabiner. Ob er überhaupt auf den römischen Hügeln residiert hat, ist zweifelhaft.
    Die Geschichte Roms begann also recht dubios.
    Aber nicht langweilig!
    Kaum wachten sie des Morgens mit fünftausend Mückenstichen auf, begannen schon die Sorgen. Sie tasteten mit der Hand nach rechts und nach links, und siehe da, keine Frau lag neben ihnen. Sie gingen ins Bad zum Zähneputzen: kein Wasser in der Leitung. Sie steckten den Kopf aus der Tür: der Tiber war über die Ufer gekommen. Sie warfen einen Blick ins Tal: der Großvater schwamm wieder mal oben. Wie sollen wir, dachten sie, jemals zu einem Weltreich kommen!
    Am drückendsten war der Mangel an Frauen. Nur wenige nannten eine ihr eigen. In Tag- und Nachtschichten kann man zwar manche Not lindern, aber Nachkommenschaft will immer noch ihr dreiviertel Jahr. Dazu kam, daß die Männer immer zahlreicher wurden, denn es sprach sich bald herum, daß die Römer alle Landstreicher und Verstoßenen mit offenen Armen aufnahmen in der richtigen Erkenntnis — die ja auch Amerika in seiner Pionierzeit hatte —, daß dieser Menschenschlag in rauhen Zeiten vielseitig verwendbar ist. Aber verstoßene Töchter waren leider nicht darunter.
    Nun kann man, wie es die Römer getan haben, dreihundert Jahre auf eine Wasserleitung warten; auf eine Frau nicht. Eines Tages gingen daher die Nerven mit ihnen durch: bei einem Fest, zu dem sie die sabinischen Nachbarn geladen hatten, raubten sie kurzerhand deren Töchter.
    Es ist der berühmte »Raub der Sabinerinnen«.
    Die Sache ist jedoch nicht so recht klar. So verstehe ich zum Beispiel nicht, wie man »rauben« kann, wenn man sich in den eigenen vier Wänden befindet. Ich dachte immer, rauben hieße, sich mit der Beute auf und davonmachen, wenigstens um ein paar Ecken. Dann gibt es noch etwas, was ich mir nicht vorstellen kann: daß die Väter und Brüder, Männer eines großen, kriegerischen Stammes, nach Hause gingen, rüber über den Tiber, fünfundzwanzig Kilometer Fußmarsch, sich ausschliefen, und angeblich erst dann, fünfundzwanzig Kilometer zurück über den Tiber, wiederkamen, um sich zu rächen — woraus noch nichteinmal etwas wurde, weil, wie die römischen Historiker berichten, sich die Geraubten selbst dazwischenwarfen. Sie wollten nicht zurück; sie waren von den Römern begeistert.
    Ich habe zehn Jahre unter ihren Nachfahren gelebt und werde Ihnen sagen, wie es wirklich war: Volksfest ja, aber kein Raub, keine Heldentat, kein Kampf. Die Siedlungen auf den römischen Hügeln waren für die Sabiner längst ein sehr angenehmer Vorposten für ihre eigene Sicherheit geworden. Sie wünschten nicht, daß die Römer ausstürben — und die Gefahr bestand. Sie erlaubten also eines Tages »Mischehen« und begingen die ersten Hochzeiten auf dem Palatin mit einem Fest. Und begeistert werden die Mädchen wirklich gewesen sein. In der ersten Halbzeit sind noch heute die italienischen Fußballer allen anderen überlegen.
    Nun könnte uns der Raub oder Nichtraub von irgendwelchen Fräuleins ziemlich gleichgültig sein, wenn es sich um einen minimalen Prozentsatz im Verhältnis zur damaligen Bevölkerung Roms gehandelt hätte. Dem war aber

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