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Cäsar läßt grüssen

Cäsar läßt grüssen

Titel: Cäsar läßt grüssen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
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Karthagern war Sizilien hundertmal wichtiger als die Ausweitung Roms bis Tarent. Wo lag schon Tarent! Rom als künftiger Gegner zeichnete sich für sie am Himmel nicht ab. Die Römer wiederum sahen nur auf den Kassenblock: Tarent war ihr Ziel gewesen, jetzt sollten sie es bekommen. Karthager in Sizilien hatte es schon immer gegeben. Als künftiger Gegner zeichneten sie sich am Himmel nicht ab. Klug? Dumm? Weitsichtig? Kurzsichtig?
    Wir heute, zweitausend Jahre später, sind natürlich viel klüger. Die Geschichte hat gezeigt, daß alle sich irrten. Sogar Pyrrhos, als er sich entschloß, in Tarent eine Besatzung zurückzulassen, selbst aber nach Sizilien überzusetzen. Alle waren sie keine Bismarcks. Nur Herumklopper. Mit solchen Köpfen auf den Schultern hätten die Athener oder Spartaner zu ihrer Zeit keine fünfzig Jahre überlebt.
    Den gröbsten Fehler machte Pyrrhos. Wäre er nach Sizilien nur zum Schein gegangen, in Wahrheit aber nach Afrika weitergesegelt, so hätte Karthago schutzlos vor ihm gelegen. Von dort aus hätte er Rom direkt ansteuern können. Die Weltgeschichte wäre unvorstellbar anders verlaufen.
    Oder? Vielleicht?
    Sie haben recht. Auch im Schach gibt es ein Dutzend vollständig durchdachter, fehlerloser Eröffnungen, und dennoch bleibt das Schicksal der weißen und schwarzen Figuren offen.
    Mit den Fehlern von Pyrrhos aber war es vorauszusehen. In Sizilien gelang es ihm nicht, die Insel, die ja immerhin größer als der Peloponnes ist, zu säubern. Enttäuscht wandte er sich wieder nach Süditalien und suchte die Römer. Er vermutete sie bei Tarent, aber da steckten sie nicht. Er machte sich also in Richtung Rom auf. Wochen vergingen, das Meer blieb immer weiter hinter ihm, die Bevölkerung wurde feindlich, die Soldaten sahen das Ganze nicht mehr ein. Pyrrhos bog nordwärts ab, um das Gebiet der Samniten zu erreichen, und ausgerechnet da standen die Römer und erwischten den Ahnungslosen bei Malevent.
    Die Schlacht, die Sie, verehrte Leser, als Schlacht bei Benevent (275) gelernt haben, hieß ursprünglich Schlacht bei Malevent; aber die Römer bildeten sich ein, sie gewonnen zu haben und tauften die »Stadt der bösen Winde« sofort in »Stadt der guten Winde« um. In Wahrheit endete die Schlacht unentschieden. Worauf Pyrrhos endgültig die Nase voll hatte und nach Griechenland zurückkehrte. Die schwache Besatzung, die er pro forma in Tarent stationiert hatte, packte drei Jahre später ebenfalls die Koffer, reiste heim und ließ hinter sich die Tore offen, durch die die Römer mit klingendem Spiel einzogen.
    Das war 272.
    Als der Senat Inventur machte, stellte er verblüfft fest, daß Italien, von Venezien bis Tarent, jetzt praktisch Rom gehörte.
    Es war Weltmacht geworden.
    »Mama«, sagte am nächsten Morgen der kleine Servius Publilius, »hast du gehört? Wir sind ein Imperium geworden!«
    »Na und?« antwortete Frau Publilius, »Was ändert das? Mach deine Schularbeiten.«
    Hier irrte sich Frau Publilius. Es änderte sich sehr viel.

    *

    Bei den Schularbeiten zum Beispiel hätte Servius sich sparen können, die etruskischen Vokabeln zu lernen. Rom sorgte dafür, daß in ganz Italien binnen kurzem nur noch lateinisch gesprochen und geschrieben wurde. Natürlich galt in einigen Kreisen Griechisch immer noch als besonders fein, aber genau wie die Engländer waren die Römer im Grunde überzeugt, daß man von hunderttausend Römern nicht verlangen könne, eine Fremdsprache zu lernen, wenn ebensogut zwei Millionen Fremde Lateinisch lernen konnten.
    Das ist ein seltsamer, aber gesunder Grundsatz. Waren die Römer von etwas überzeugt, so gingen sie nicht etwa leuchtenden Auges, wie wir Deutschen, in alle Welt und verkündeten es zum Ärger der anderen laut, sondern sie zogen diese Überzeugung an wie ein paar Schuhe, spazierten so einher und begnügten sich, alle Menschen zu bedauern, die keine Schuhe trugen. Sie sagten nicht: »Es ist unerhört uneinsichtig, sich keine Stiefel anzuziehen, wenn man über spitze Steine geht«, sondern sie sagten: »Sicherlich ist es sehr gesund, barfuß zu gehen, jedoch glauben wir, daß sich Schuhwerk bei spitzen Steinen bewährt hat.«
    Wer es nicht glauben wollte, dem zwangen sie nicht etwa Schuhe auf, sondern dem legten sie genügend spitze Steine unter.
    Sie hielten die lateinische Sprache nicht nur für die klarste (das ist sie) und für die am leichtesten zu erlernende (auch das stimmt), sondern auch für die schönste. Und das ist sie gewiß nicht. Der

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