Cäsar läßt grüssen
Duft der griechischen Sprache verhält sich zu dem der lateinischen wie eine Apfelsine zu einer Boccia-Kugel.
Bald war Italien (der Name Italia kam um diese Zeit für die ganze Halbinsel bis Florenz und dem Apennin-Bogen auf; ursprünglich nannte sich, merkwürdig übrigens, nur Kalabrien, also die »Schuhspitze« so) — wovon sprachen wir? Ja, von der sanften Überzeugungskunst der Römer. Bald war halb Italien mit kleinen, kleinsten und winzigsten Roms übersät.
Man hatte sein Kapitolchen, sein Forum, seinen Vesta-Tempel und seinen Circus. Man fühlte sich mit Rom verbunden allein schon, weil seit drei Generationen die römischen Wellen über einen hinweggegangen und die Römer als ewiges Gesprächsthema vertraut waren. Volskische Städte, aurunkische, hernikische, campanische und sabinische erhielten römisches Bürgerrecht. Nur wenige Stämme kamen nicht in den Genuß des römischen Commonwealth, weil sie sich vorher allzu störrisch gezeigt hatten, zum Beispiel die Samniten, deren Stammeszusammenhalt man total zerschlug, Ortschaften räumte und Land kreuz und quer zerstückelte. Dem alten etruskischen Caere andererseits, einst auch nicht gerade ein harmloser Nachbar, ging es wahrlich ausgezeichnet. Auch die griechischen Siedlungen, vom Geld und von der Kultur her Erzfeinde Roms, konnten, als sie sich den Römern ergeben hatten, zufrieden sein. Sie verwalteten sich selbst, sprachen zu Hause weiter griechisch, sammelten Tanagra-Figürchen, erzählten sich Flüsterwitze über Rom und liebten Knaben.
Und in Rom? Lebte sich’s gut?
Es fragt sich, was man unter »gut« versteht. Napoleon hätte es gefallen. Bismarck nicht; er hätte unter dem Stumpfsinn gelitten. Zwei Reichsgründer, Fachleute sozusagen. Aber sprechen wir vom kleinen Mann: Ich, zum Beispiel, wäre ziemlich unglücklich geworden. Die Ordnung, zugegeben, hätte mich befriedigt, die saubere Rechtsprechung hätte mir Seelenfrieden gegeben. So was gefällt mir als Lebensbedingung. Ich finde, man sollte Wert darauf legen, abends spazieren gehen zu können ohne die Gefahr, erschlagen zu werden. Natürlich ist das Ansichtssache; manche Leute schätzen es höher, vor ihrem Überraschungstod noch öffentlich verkündet haben zu dürfen, welcher politischen Überzeugung sie seien.
Ich hätte auch wider bessere Einsicht in Kauf genommen, daß seit 287 die Beschlüsse der Tributversammlungen, die von der Plebs beherrscht wurden, nicht mehr beratend sondern bindend für Senat und Konsuln geworden waren. Es wäre mir ein Leichtes gewesen zu schweigen. Meine — vielleicht kuriose — Auffassung von Demokratie sagt mir nämlich, daß eine Opposition der Tat nur den gewählten Volksvertretern obliegt, wie das Wort »Vertreter« ja schon sagt. Na ja, das sind halt Sachen, die man sich so zurechtdenkt als Laie. Ich halte ja auch eine violente »Außerparlamentarische Opposition« in einer Demokratie für verbrecherisch. Aber weiter: Auch die lateinische Sprache ist so übel nicht. Ich habe sowieso das Graecum und Hebraicum. Daß es keine Autos und keine Eisenbahnen gegeben hat, wäre mir nicht unlieb gewesen. Ich hab’s nicht eilig. In meinem Leben hat mich eigentlich nur immer der Staat zu ganz eiligen Sachen angetrieben, und sie waren fast immer sinnlos. Jedoch — ich kann gehorchen.
Zur Seite zu treten, wenn Appius Claudius, der Zensor, sich mir auf der Via sacra genähert hätte, wäre mir ein Leichtes gewesen. Ich hätte nur vermißt, daß mir auch einmal Platon oder Heraklit begegnet wären, auf daß ich ihnen Platz machen konnte.
Sehen Sie, das ist es. Jetzt kommen wir zu dem, was man nicht mit der Registrierkasse erfassen kann: zum Sauerstoff. Die römische Kultur machte nicht einmal den Versuch, den ein Makartstrauß macht, nämlich so auszusehen, als blühe er. Das geistige Leben muß schauerlich gewesen sein. Es gab keine Kunst, keine Wissenschaft, keine Philosophie, es gab keine Explosionen des Herzens, kein Rütteln an den Stäben unseres irdischen Käfigs, es gab keinen Sturz in das Meer der Gefühle und keinen Versuch, die Himmel zu erstürmen, es gab den großen Nachtgesang der Einsamen nicht und keine jubelnden Verse der Fröhlichen. Die Götter legten keinen Wert auf Liebe und schenkten auch keine. Der Verkehr mit ihnen geschah über den Kassenzettel. Keine Wallung, kein schnellerer Pulsschlag Jupiters, kein Scherz Merkurs, kein Homerisches Gelächter; eisige Stille im Olymp und in den Tempeln mit ihren despotischen Priestern.
Wie hätte
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