Cäsar läßt grüssen
dem unruhigen Volsinii gegeben, wahrscheinlich absichtliche Provokationen. Die Nachricht von der Zusammenballung neuer Massen sickerte rechtzeitig durch, Rom sprang wie von der Tarantel gestochen hoch und machte sofort wieder mobil. Das Heer, etwa fünfzehntausend Mann, rückte in Eilmärschen nach Norden, stieß bei Arezzo auf den Feind und griff an.
Die Niederlage wurde vernichtend, der kommandierende Konsul und dreizehntausend Mann fielen. Daß der Feind nur behäbig nachrückte, war ein Glück. Die Überlebenden erreichten ohne neue Verluste Rom und berichteten von der Schlacht, die eine wahre Hinrichtung gewesen sein muß. Senat und Volk reagierten verblüffend: Kein Verhandeln. Siegen oder untergehen! Eine schändliche Durchhalteparole, wie heutzutage jedermann weiß. Allerdings sieht so etwas stets anders aus, wenn das Durchhalten glückt, wie schon Churchill bewiesen hat. Dann ist es nicht schändlich, dann ist es bewunderungswürdig.
Alte Männer und halbe Kinder wurden mobilisiert und benutzten den Winter fieberhaft zur Rüstung. Damals »rüstete« man wirklich noch. Es existierte noch nicht die so überaus praktische Einrichtung neutraler Staaten, die stets in der Lage sind, den Kriegführenden mit Kanonen unter die Arme zu greifen. Man mußte selbst »rüsten«. Das Wort hatte damals noch seine ursprüngliche Bedeutung. Im Althochdeutschen heißt »berusten« u. a. herrichten, herstellen; und »rustunga« das Werkzeug. Zum Kriege nämlich. Zum Töten. Kein schöner Gedanke, nicht wahr, aber so ist leider der Mensch, das herrliche Ebenbild Gottes, gebaut. Fünfzig Prozent der Geschichte besteht daraus.
Im Frühjahr 283 stand der Feind bereits sechzig Kilometer vor Rom. Die Frage war einfach: Sein oder Nichtsein. Man hatte auch an Hilfsvölkern mobil gemacht, was irgend greifbar war. Der Haufe — vielleicht noch einmal zehntausend Mann — brach auf. Zuhause schloß man die Tore und betete.
An dem kleinen Vadimonischen See (Sie brauchen sich den Namen nicht zu merken, kaum ein Geschichtsbuch zitiert ihn), stießen die Heere aufeinander. Wir wissen fast nichts über die Schlacht. Wir wissen nur: Die Römer brachten das Unglaubliche zustande, sie siegten. Dies sind die Ereignisse jener »Friedensjahre«, die gewöhnlich in Gestalt eines Punktes zusammengefaßt werden.
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Was nun folgt, ist zur Abwechslung mal ein Krieg. Immer noch hat keine Seele in Rom auch nur eine Zeile geschrieben, kein Gedicht, kein Drama, keine Historie. Keine römische Plastik existiert, keine Musik, kein Tanz. Die schöngeschnitzte Rednertribüne auf dem Forum Romanum ist ein gestohlener Schiffsschnabel aus Antium.
Der neue Krieg ging gegen Pyrrhos. Endlich ein Name, an dem man sich, allein schon wegen seiner ungewöhnlichen Schreibweise, ein bißchen festhalten kann. Pyrrhos, König von Epiros, war Grieche. Wie er nach Italien kam, werden wir gleich sehen. Pyr heißt auf griechisch Feuer, Sie kennen die Silbe aus dem Wort Pyrrhomane. Pyrrhós heißt feuerfarben, rotglühend. Der Herr hieß also Barbarossa und sah auch so aus. In der spätgriechischen Welt — Alexander der Große war seit fünfzig Jahren tot — galt er als bedeutendster Feldherr. Ein kluger, kultivierter Mann, der überzeugt war, zu Hinterwäldlern zu kommen, als ihn die Stadt Tarent bat, einen Sprung nach Italien zu machen und ihre Rechnung mit den immer dreister werdenden Römern zu begleichen.
Sie werden, meine verehrten Leser, wahrscheinlich gelernt haben, daß der Kriegsgrund folgender gewesen ist: Im Hafen von Tarent (einer altgriechischen Siedlung an der Hacke des italienischen Stiefels) legten eines Tages im Jahre 282 einige römische Schiffe an in der harmlosen Absicht der Besatzung, sich mal ein bißchen die Füße zu vertreten und in einer Trattoria zu frühstücken, worauf die Tarentiner aus heiterem Himmel auf die Idee kamen, einen Teil der Flotte zu versenken. Womit der Krieg da war.
Klingt gut.
Wahr ist: Während der ersten Samnitenkriege hatte Tarent, um sich aus den Streitigkeiten herauszuhalten, mit Rom einen Friedenspakt geschlossen unter der Bedingung, daß kein römisches Schiff jemals in Sichtweite von Tarent erscheinen dürfe. Man wollte also jeder dubiosen Situation Vorbeugen.
Der Rest Ihrer Schul-Erinnerung stimmt, er kann so bleiben. Römische Schiffe, und zwar Kriegsschiffe, brachen den Vertrag. Warum? Vielleicht wirklich nur aus Trottligkeit des Admirals, vielleicht mit Absicht. Tarent war sehr wohlhabend, und der apulische
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