Cäsar läßt grüssen
Volksidiom gesprochen. Hier wurde an den »gesunden Menschenverstand« appelliert, hier durfte gelacht werden, wenn das Wort »Hohe Diplomatie« fiel.
Die Komitien waren es, das Volk, die Plebejer, die den Feldzug beschlossen mit der ganz offenen Begründung, daß man sich einen solchen Beutezug nicht entgehen lassen dürfe. Der Senat gehorchte. Irgendein armer Konsul schnallte sich Brotbeutel und Feldflasche um und setzte sich an die Spitze eines Heeres, das mit den besten Segenswünschen der Priester gen Süden zog. Vielleicht war es ein plebejischer Konsul, dann war er nicht zu bedauern, dann wird er schon auf der Via Appia gerufen haben: »Ein Lied — zwei — drei«. Kein ernstzunehmender Historiker wagt heute zu bestreiten, daß die Plebs der Träger des Imperialismus war. Aus ihr sind seltsame, janusköpfige Gestalten hervorgegangen, die die Macht bekämpften, bis sie sie hatten; die zum Beuteüberfall auf Syrakus aufbrachen und zugleich (wie jener Zensor Luscinus) einen Patrizier wegen des luxuriösen Besitzes von zehn Pfund Tafelsilber aus dem Senat ausstießen.
Inzwischen, meine Damen und Herren, hat das römische Heer die staubigen Landstraßen hinter sich gebracht und ist nach Messana übergesetzt. Noch ein paar Dutzend Kilometer und —
— und man traute seinen Augen nicht! Da stand nicht das Empfangskomitee der Messaner, sondern ein karthagischer Vorposten, der ihnen die vergnügliche Mitteilung machen konnte, daß Messana längst von den Puniern »gerettet« und, natürlich, besetzt sei.
Die Römer waren, soweit das Angelsachsen sein können, außer sich.
Die einen Retter saßen drin, die anderen Retter standen davor. Zwei ehemalige Komplizen, die sich gegenseitig zum Teufel wünschten.
Der karthagische Kommandant der Stadt befand sich in keiner angenehmen Lage. Erstens war er eingeschlossen, zweitens war er eingeschlossen, und drittens war er eingeschlossen. Ein Ausfall hätte eine Schlacht bedeutet, und eine Schlacht den offenen Krieg. Wer wagt das als Oberstleutnant?
Er nicht. Er übergab die Stadt den Römern und zog mit seinen Leuten ab. Ein recht vernünftiger Mann. Schade, daß die Karthager ihn dafür hinrichteten. Sie scheuten, was der arme Oberstleutnant nicht wissen konnte, ebenso wenig wie das römische Volk einen ausgewachsenen Krieg.
König Hieron von Syrakus, der eigentlich der Bekämpfte sein sollte, schloß mit beiden Seiten einen Friedensvertrag, zog den Geldbeutel, zahlte kräftig und dankte den Göttern, daß sich die Truppen weit weg, in den Westen der Insel begaben. Die einen, die Karthager, weil sie sich auf ihre Stützpunkte zurückziehen wollten, die anderen, die Römer, weil sie soeben die Kriegserklärung der Punier erhalten hatten und ihnen nachjagten. Während ihres Nachlaufens kamen sie an dem hübschen reichen Städtchen Akragas (Agrigent) vorbei, machten kurz halt, raubten alles, was glänzte, und äscherten dann diese blühende Griechenkolonie ein. Man merkt unschwer, daß der erste Punische Krieg in vollem Gange ist, und es ist nun meine Aufgabe, von ihm zu berichten. Darf ich Ihnen zuvor versichern, daß er mir herzlich zum Halse heraushängt? Für einen Krieg, der wie eine Flamme auf lodert, für einen Krieg, der wie der Canale Grande stinkt, für einen Krieg, der von Don Quixotes geführt wird, für sie alle kann man Worte finden. Aber was soll man zu einem stupiden, subalternen, trägen Kolonialkrieg sagen, der sich über dreiundzwanzig Jahre so hinschleppt wie die Römer unter ihren Tornistern voll Silberlöffel? Zum Glück braucht man sich von dem ganzen sizilianischen Landkrieg nichts zu merken außer, daß ein so stümperhaftes Unternehmen naturgemäß auch in einem stümperhaften Unentschieden endete. Aber einen anderen Punkt gibt es, einen einzigen, der in diesem Kriege wirklich bemerkenswert ist. Er ist mehr: er ist schlankweg abenteuerlich.
Eine Erfindung verhinderte Roms Niederlage — was sage ich, »Erfindung«? Eine banale Idee, die jeder Römer auf der Straße gehabt haben könnte. Ihre Geburt wird sie wohl wirklich einem Stabsgefreiten verdanken.
Die Römer waren Landratten. Taktisch und navigatorisch waren sie zur See so unbegabt, daß jeder phönizische Fischer sie ausgelacht hätte. Sie hatten Hilfsvölker mit genügend See-Erfahrung, aber die rissen sich kein Bein für Rom aus und galten auch nicht als sicher.
Die Karthager waren die geborenen Seeleute. Nichts lag daher für sie näher, als diesen dummen sizilianischen Landkrieg in
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