Cäsar läßt grüssen
Schönheitsfehler, das ist wahr. Aber verstehen Sie die Virtus auch nicht zu weit. Es kann der Beste kein Heroe werden, wenn es dem albernen Nachbarn nicht gefällt.
Bei allem Sinn für schwarzen Humor waren die Samni-ten doch nicht so töricht, nun etwa einen »ewigen Frieden« oder die Anerkennung irgendeiner Linie zu verlangen. Selbstredend hätten die Römer jede Linie anerkannt. Als echte antike Menschen hätten sie bei Bedarf später gesagt: »Linie? Gott, was redet man nicht alles so dahin!«
298 brach der dritte Samnitenkrieg aus. Wer ihn vom Zaun brach, ist etwas zwittrig; sagen wir: die Samniten, denn sie waren auffallend vergnügt und hatten diesmal halb Italien mobilisiert. Die Sabiner machten mit, die gefährlichen Kelten erinnerten sich ihres großartigen Ausflugs unter Brennus, ja sogar die wackeren Etrusker sattelten noch einmal ihre Rosinanten und kamen aus der Toskana herangetrabt. Es sah nach einem ausgewachsenen Dreifronten-Krieg aus.
Es wurde einer. Den Römern war absolut nicht wohl. Die Lage war nicht schön, man kämpfte im Norden, im Osten, im Süden, die Fronten schwankten bald vor, bald zurück, feindliche Bevölkerung, viele Tote, der Ballast der Verwundeten so weit von Rom entfernt; immer neue Ersatzeinheiten verließen Rom, schließlich war das Reservoir erschöpft, von sechzehn bis sechzig stand alles unter den Feldzeichen.
Diese sogenannten kleinen Kriege, die in den Geschichtsbüchern mit zehn Zeilen erledigt werden, waren in Wahrheit für das Rom der Jünglingszeit furchtbar gefährlich. Alles befand sich noch im Stadium der Entwicklung: die Kriegstechnik, die Wirtschaft, die Verkehrsmittel, der Nachrichtendienst. Überhaupt muß man sich eines einprägen: Von nun an bis zu Hannibal schwebt Rom dauernd in Lebensgefahr. Die Friedensjahre, die ab und zu auftauchen, täuschen. Eine harte Zeit brach an, in der Rom zum Mann, zum Kerl, zum Schläger wurde.
Zwei Faktoren begannen sich günstig in diesem Feldzug auszuwirken: Die Umbrer schlugen sich auf Seiten Roms, und die Via Appia war gerade bis Neapel fertiggestellt worden. Auf ihr sausten die Truppen mit einer Geschwindigkeit von fünfzehn oder zwanzig Stundenkilometern dahin, ein Tempo, das die Feinde schon beim Hörensagen schwindlig machte. Genau genommen brachte diese Straße und nicht eine Schlacht die Entscheidung im Süden.
Die Front hatte dort bisher unruhig hin und hergependelt. Kaum war etwas gewonnen, war es auch schon wieder verloren. Es fehlte der Stützpunkt. Gerade hatte man die bedeutende samnitische Stadt Venusia erobert, da kam dem Senat die überraschende, eigentlich total verrückte Idee, die die Wende brachte: Man wählte zwanzigtausend (!) römische Siedler und jagte sie auf der Via Appia nach Venusia. Die Woge brach über Nacht in das samnitische Land ein und überflutete mit Hacke und Spaten, Dreschflegel und Sichel die ganze Stadt. Sie wurde ein Bollwerk Roms, als sei sie schon jahrhundertelang römisch.
Der Pendelkrieg war beendet, die Samniten baten (291) um Frieden.
Allerdings war im Osten ein sehr eindrucksvoller Sieg Roms vorausgegangen. Bei Sentinum, dem heutigen Sassoferrato zwischen Perugia und der adriatischen Küste hatte (295) das römische Hauptheer unter Konsul Rullianus aus der alten Fabier-Familie die vereinigten Massen der gallischen Kelten, Etrusker und Samniten gestellt und fürchterlich unter ihnen aufgeräumt. Es scheinen mehrere zehntausend Feinde gefallen zu sein. In Rom sprach man von »einer Million«, was, ins Germanische übersetzt, dasselbe ist.
Die Römer kehrten heim, angeschlagen und müde, aber einigermaßen glücklich. War nicht alles sehr zufriedenstellend ausgegangen? Jedenfalls fanden das die späteren Geschichtsschreiber und setzten einen Punkt und ein paar Friedensjahre dahinter.
Leider fehlte in Wirklichkeit der Punkt wie der Friede.
Aus diesen Jahren sind die Quellen nicht die besten, und so vererbt sich bis auf den heutigen Tag der Fehler, eine Lücke für Frieden zu halten. In Wahrheit ging es so übergangslos weiter, daß man nicht einmal einen Absatz machen müßte.
Was die »Lücke« zwischen dem dritten Samnitenkrieg und dem Krieg gegen Pyrrhos umschließt, ist ein Abenteuer, bei dem Rom am Rande des Abgrunds spazieren ging. Die Sache ist mit ein paar Worten erzählt:
Kelten und Etrusker rafften sich noch einmal auf und holten zum Schlag der Rache für Sentinum aus, während (oder weil) Rom sich in Sicherheit wähnte. Es hatte schon dauernd Geplänkel mit
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