Cäsars Druide
ihn öffentlich um ein Eingreifen gegen Ariovist zu bitten, ließ er sie fürstlich bewirten und beschenken. In der Zwischenzeit ließ er eilig seinen Stab zusammentrommeln und erläuterte Diviciatus in seinem Feldherrenzelt Sinn und Zweck der Rede, die der Häduer vor den römischen Offizieren zu halten hatte. Ich versuchte so ungerührt wie möglich zu übersetzen. Cäsar sollte anhand meines Gesichtsausdruckes weder Zustimmung noch Ablehnung erkennen können.
Wenig später hatte sich der Stab mit allen Tribunen, Offizieren, Legaten und Schreibern im großen Zelt, das als Kommandozentrale diente, versammelt.
Als erster ergriff Diviciatus, der mittlerweile den Charme einer ausgehungerten Fledermaus hatte, das Wort und bat um absolute Geheimhaltung ihres Treffens. Er konnte sicher sein, daß Ariovist davon erfuhr, bevor er den letzten Satz beendet hatte. Mit schleppender Stimme trug er sein Gejammer in keltischer Sprache vor, während ich laufend übersetzte.
»Cäsar, ganz Gallien ist in zwei Parteien gespalten. An der Spitze der einen stehen die Häduer, an der Spitze der anderen die Arverner. Seit Generationen kämpfen beide erbittert um die Vorherrschaft in Gallien. Um den endgültigen Sieg zu erringen, haben die Arverner und die Sequaner vor einigen Jahren germanische Söldner zu Hilfe gerufen. Anfangs kamen nur fünfzehntausend germanische Krieger über den Rhenus. Doch rasch fanden sie Gefallen an unserem Land. Jetzt stehen bereits hundertzwanzigtausend Germanen in Gallien unter Waffen. Gemeinsam mit unseren Bundesgenossen haben wir schon unzählige Schlachten gefochten. Doch stets sind wir vernichtend geschlagen worden. Wir haben mittlerweile unseren ganzen Adel, unseren Obersten Rat und unsere gesamte Reiterei eingebüßt.«
Während ich übersetzte, schrieben die anderen Schreiber die Rede des Diviciatus nieder. Ich mußte grinsen, als Diviciatus den Verlust seiner Reiterei erwähnte. Hatten nicht noch vor ein paar Wochen viertausend häduerische Reiter auf Cäsars Seite gekämpft?
»Cäsar, das Volk der Häduer ist gebrochen«, stöhnte Diviciatus. Cäsar hoffte wohl insgeheim, daß Diviciatus nicht wieder wie eine Klette seine Knie umklammerte. »Cäsar, dank unserer Gastfreundschaft und unserem guten Einvernehmen mit dem römischen Volke waren wir Häduer bisher die größte Macht in Gallien. Doch jetzt sind wir gezwungen, den Sequanern Geiseln zu stellen. Wir mußten schwören, Rom nicht um Hilfe zu bitten und den Wünschen der suebischen Germanen stets Folge zu leisten. Ich, Diviciatus, bin der einzige Häduer, der sich damals durch Flucht diesem Eid entzogen hat. Deshalb spreche ich heute zu dir, weil ich weder durch Geiseln noch durch einen Schwur gebunden bin.«
Diviciatus legte eine kurze Pause ein, um die Wirkung seiner Worte zu überprüfen. Alle blickten zu den schuldigen Sequanern, die mit gesenkten Köpfen dastanden. »Aber mittlerweile«, fuhr Diviciatus fort, »ist es den siegreichen Sequanern noch schlimmer ergangen als den besiegten Häduern. Nachdem Ariovist ihnen bereits ein Drittel ihres Gebietes weggenommen hat, fordert er nun das zweite Drittel. Und weißt du, für wen, Cäsar? Für vierundzwanzigtausend Haruder, die vor wenigen Wochen zu ihm gestoßen sind.«
Cäsar hatte ihm eingehämmert, die Gefahr der Haruder ausführlich zu schildern und die historischen Wurzeln ausgiebig zu würdigen. Das tat Diviciatus auch: »Die Haruder wohnten ursprünglich im hohen Norden. Sie sind damals mit den kriegslüsternen Kimbern ausgezogen und vorübergehend in Germanien geblieben. Doch jetzt drängen sie nach Gallien. Und Ariovist hat ihnen die Tore geöffnet. Wenn wir nichts unternehmen, werden immer mehr Germanen über den Rhenus kommen und uns aus unserem Land vertreiben. Deshalb haben wir uns mit den Sequanern wieder versöhnt. Bedenke, Cäsar: Ariovist führt ein stolzes und grausames Regime. Er ist wild und jähzornig. Wir Häduer und Sequaner können seine Herrschaft nicht mehr länger ertragen. Cäsar, wenn du uns keine Hilfe gewährst, müssen wir dasselbe tun wie die Helvetier und auswandern! Das wird das Schicksal aller keltischen Stämme sein. – Nur du, Cäsar, kannst verhindern, daß noch mehr Germanen über den Rhenus kommen. Nur du, Cäsar, kannst Gallien vor Ariovist schützen. Wenn du uns vor Ariovist schützt, schützt du auch deine Provinz. Denn wenn wir vor Ariovist fliehen, wird der Suebenkönig an deiner Provinzgrenze stehen. Aber nicht lange. Dann steht er vor den
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