Cäsars Druide
Zelt. Der Duft von warmgerührten Eiern lag in der Luft. Der Prätorianer schob die Zeltplane zur Seite und ließ mich eintreten. Im Zeltinneren staute sich heißer Dampf. Man konnte nicht mal die eigene Hand vor dem Gesicht erkennen. Ohne Wanda wäre ich wohl über das erstbeste Hindernis gestolpert.
»Setz dich, Korisios«, hörte ich Cäsars Stimme. Ich tastete mich vorsichtig zu einem Stuhl und setzte mich. Es war irgendwie unangenehm. Irgend etwas in meinem Rücken. Ich drehte mich um. Über der Stuhllehne hing ein ledernes Gehänge mit einem Gladius und einem Pugio. Ich war plötzlich hellwach. War heute der Tag, an dem sich die Prophezeiung des Druiden Santonix erfüllen sollte? Ich umklammerte den Griff des Gladius. Er war aus kunstvoll verarbeitetem Rinderknochen. Jeder Finger paßte genau in die runden Einkerbungen. Ein kalter Luftzug drang ins Zelt und lichtete den Dampf. Ich erschrak. Cäsar lag vor mir, keine drei Schritte entfernt, in einer hölzernen Wanne, die randvoll mit warmem Wasser gefüllt war. Den Kopf hatte er zurückgelegt, die Augen geschlossen. Müde ruhte sein verschwitztes Haupt mit dem schütteren Haar auf dem Rand der Wanne. Aber es war nicht die Hitze, die ihm zu schaffen machte. Cäsar schien zu leiden. Er hatte Schmerzen. Ein Diener hatte das Zelt betreten und stellte einige Schalen auf den kleinen Tisch, der vor der Wanne stand. Genauso leise, wie er gekommen war, verschwand er wieder. Dabei strömte erneut kalte Luft ins Zelt und machte die Sicht noch klarer.
»Kannst du heilen, Druide?« fragte Cäsar mit matter Stimme.
»Ich kann den heilen, den die Götter heilen wollen«, antwortete ich.
Cäsar schien zu überlegen. Nach einer Weile sagte er: »Druide, als die Kelten ihre Waffen abgelegt haben, hast du einen Krieger begrüßt. Basilus hast du ihn genannt.«
»Ja, wieso fragst du?«
»Er hat dich gefragt, ob ihr euch jemals wiedersehen würdet.«
»Ja, das ist richtig.«
»Wieso hat er dich gefragt? Kannst du die Zukunft lesen? Sprichst du etwa mit den Göttern?«
»Wovor hast du Angst, Cäsar? Stehst du nicht selber unter dem Schutz der unsterblichen Götter?«
Cäsar richtete sich abrupt auf. Dabei schwappte das Wasser über den Rand der Badewanne. Cäsars Brust war glattrasiert. Nirgends auch nur ein einziges Härchen.
»Ein Cäsar hat keine Angst, Druide. Meinst du etwa, ich hätte nachts Alpträume, nur weil ich die goldenen Sicheln deiner Druiden habe einschmelzen lassen.«
»Du hast die goldenen Sicheln nicht einschmelzen lassen, Cäsar«, sagte ich mit absoluter Bestimmtheit. Ich ging ein hohes Risiko ein. Aber Cäsars Überraschung bestätigte mich.
»Woher weißt du das, Druide?«
»Wenn du es getan hättest, hättest du keine Alpträume. Ich glaube nicht, daß unsere Götter derart nachsichtig mit dir umgehen würden.«
»Rom verlieh mir den Titel des Pontifex maximus. Ich bin somit der oberste Priester der zivilisierten Welt. Wieso soll es mir nicht zustehen, eure Heiligtümer zu plündern? Wem soll es zustehen, wenn nicht mir, dem Pontifex maximus der römischen Republik?«
»Die menschliche Ordnung erheitert die Götter immer wieder, Cäsar. Das Gold hat deinen Verstand getrübt. Schon lechzt du nach mehr und denkst, du könntest nun auch über die heiligen Stätten der Kelten herfallen. Hast du nicht selber gesagt, daß die Götter einem manchmal eine längere Phase des Glücks gönnen, nur damit der jähe Absturz um so grausamer empfunden werde?«
Cäsar lehnte sich wieder in der Wanne zurück und legte seinen Kopf auf den mit Leintüchern gepolsterten Rand. Er schloß die Augen. Sein Kiefer war angespannt. Er schien Schmerzen zu haben.
»Ich verstehe euch Kelten nicht«, murmelte er. »Was habe ich denn getan, daß mir plötzlich ganz Gallien zu Füßen liegt?«
»Der erste Schritt im Moor ist stets einfach, doch wenn dein Körper langsam verschlungen wird und du hilflos mit den Armen ruderst und wider Willen deinen Untergang beschleunigst, dann erst, Cäsar, merkst du, daß der erste Schritt der verhängnisvollste gewesen ist.«
»Willst du damit sagen, daß mir all diese gallischen Fürsten, die hier vor mir im Staub kriechen, eine Falle stellen wollen?«
»Nein, Cäsar, ihre kampflose Unterwerfung ist redlich. Es sind die Götter, die mit dir ihr Spiel treiben.«
Cäsar schwieg. Nach einer Weile forderte er mich auf, etwas zu essen. Er selber hatte keinen Hunger.
»Es ist ein punischer Brei«, murmelte Cäsar, »ich hatte mir punischen
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