Cäsars Druide
Toren Roms. Deshalb flehen wir dich an, so schnell wie möglich zu handeln. Nur du kannst Ariovist bezwingen. Dank deinem Ansehen und der Achtung, die sich dein siegreiches Heer verdient hat. Dank deinem Ruhm, der sich in ganz Gallien verbreitet hat, und dem stolzen Namen des römischen Volkes.«
Diviciatus schwieg. Cäsar vermied es, das Wort zu ergreifen. Die Worte sollten weiterwirken. Er wollte zuerst sehen, in welche Richtung der Wind blies. Ich muß schon sagen, dieser Diviciatus, der nicht ein Wort Lateinisch oder Griechisch verstand, war ein vorzüglicher Schauspieler, und Cäsar, der ihm diese eindrückliche Sprechrolle auf den Leib geschrieben hatte, ein begnadeter Dramatiker. Ich bin sicher, daß er in Rom als Komödienschreiber ebenfalls zu Ruhm und Ehre gelangt wäre. Die Rede des Diviciatus hatte auf jeden Fall zwiespältige Gefühle ausgelöst.
Labienus ergriff das Wort: »Cäsar, wir müssen das Übel an der Wurzel packen und Ariovist das Handwerk legen. Unsere sechs Legionen sind kampferprobt und stehen bereit.«
Der junge Crassus, der Sohn des reichsten Mannes von Rom, erwiderte ihm: »Labienus, wie willst du in Rom diese Politik verständlich machen? Ich stimme dir zu, wir müssen das Übel an der Wurzel packen. Aber wieso, wird man sich in Rom fragen, haben wir das nicht gleich getan? Wieso haben wir nicht gleich mit den Helvetiern zusammen Ariovist zurückgeschlagen?«
»Die Helvetier haben uns nicht um Hilfe gebeten«, sagte Cäsar ruhig. Einige der jungen Tribune schmunzelten. Sie kannten Cäsar. Einer bemerkte spitz, daß es nicht so einfach sein würde, gegen Ariovist vorzugehen: »Trägt er nicht den Titel ›König und Freund des Römischen Volkes‹? Und hat nicht ausgerechnet ein gewisser Gaius Julius Cäsar ihm diesen Titel verliehen, als er letztes Jahr noch Konsul war? Derselbe Cäsar, der ein Gesetz eingebracht hatte, wonach ein Prokonsul außerhalb seiner Provinz keinen Krieg anzetteln darf?« Einige Legaten und Tribune lachten. Sie konnten sich dieses Auftreten leisten, weil die Opposition unter den Offizieren mittlerweile groß war.
»Gerade weil ich Ariovist diesen Titel verliehen habe«, sprach Cäsar, »wiegt sein Verhalten so schwer. Noch schwerer wiegt aber die Tatsache, daß die Häduer, die vom römischen Senat als Brüder und Blutsverwandte anerkannt worden sind, von einem Barbaren gedemütigt und mißhandelt werden. Das ist für ein Volk, das die Welt beherrscht, die größte Schmach überhaupt.« Cäsar wandte sich an die Legaten und Tribune, die bereits am Abend das Gehörte in Briefen nach Rom berichten würden, und fuhr fort: »Die Barbaren werden sich nie und nimmer mit Gallien begnügen. Sie werden dem Beispiel der Kimbern und Teutonen folgen und weiter vordringen, um bald darauf in Italien einzufallen. Labienus! Schick Gesandte an Ariovist. Cäsar wünscht eine Unterredung!«
Cäsar nahm mich und Diviciatus erneut beiseite und versprach dem Häduer die Vorherrschaft über ganz Gallien. Er sicherte Diviciatus zu, daß er auch die bisherigen Klientenstaaten der Häduer und der Sequaner achten würde. Hingegen solle das übrige Gallien nach der Niederlage des Ariovist ihm, Cäsar, ganz alleine zustehen. Diviciatus war sofort einverstanden. Erfreut und stolz gesellte er sich zu den übrigen Galliern, die bereits lautstark dem Wein zu sprachen. Ich blieb alleine mit Cäsar zurück.
»Ist das Gallien?« fragte er schmunzelnd. Ich zuckte bloß die Schultern. Gallien war in der Tat ein verwirrendes Gemisch von Wirtschaftsinteressen, verworrenen Bündnissen und uralten Stammesfehden.
»Gallien ist ein reiches Land, ihr habt mutige Männer. Gallien könnte die Welt beherrschen. Statt dessen fällt uns Gallien wie ein reifer Apfel zu. Und weißt du, wer schuld daran ist, Druide?«
»Ja«, sagte ich leise. Ich wußte es.
»Eure Druiden sind schuld daran! Sie sind nicht Mittler zwischen Himmel und Erde, sie sind die Hüter des Wissens, die Hüter der Macht. Sie fördern nicht, sie verhindern. Sie verhindern jegliche geistige Öffnung, sie verhindern jeglichen Fortschritt. Wie sollen Analphabeten ein Weltreich regieren? Wie sollen Analphabeten einen Staat regieren? Wie sollen Analphabeten eine Armee ausheben, ausbilden und unterhalten?«
»Ja«, wiederholte ich leise.
»Wenn Gallien befriedet ist, wird der Handel blühen bis ins Nordmeer hinauf, und jedem Gallier wird es unter dem römischen Adler bessergehen als vorher. Nur die Druiden werden unsere Feinde bleiben.
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