Cäsars Druide
treverischer Abgesandter tatsächlich bei Cäsar vorgesprochen hatte. Ich habe das Gespräch auf jeden Fall nicht übersetzt. Ich weiß, daß sich Procillus mehrmals mit germanischen Händlern unterhalten hat, die auch bei Cäsar hatten vorsprechen dürfen. Vielleicht hatten die gemeldet, daß sich am östlichen Rhenusufer zahlreiche germanische Stämme versammelt hatten, die jeden Augenblick den Fluß überqueren konnten. Mag sein. An ihrer Spitze standen auf jeden Fall zwei Brüder: Nasua und Cimberius. Und sie hatten angeblich die Absicht, sich nach der Rhenusüberquerung mit Ariovist zu vereinen. Ich weiß nicht, ob es wahr ist. Auf jeden Fall löste die Nachricht eine große Unruhe in Cäsars Heer aus. Schließlich befanden sich die Legionäre in der Wildnis, auf fremdem Gebiet, ohne geographische Karten und Stützpunkte. Man konnte nie wissen, was einen hinter dem nächsten Berg erwartete. Ein paar Wilde in Höhlen oder eine moderne Kavallerie mit unbekannten Waffen. Cäsar reagierte wie immer prompt und befahl den sofortigen Aufbruch. In Eilmärschen bewegten wir uns auf Ariovist zu. Während die Legionäre normalerweise fünf Stunden pro Tag marschierten, befahl Cäsar plötzlich neun Stunden. Selbst für mich, der ich nur auf dem Rücken eines Pferdes saß, war dieser Gewaltmarsch ziemlich anstrengend. Mein Sklave Krixos, der irgendwie unsichtbar, aber dennoch immer da war, wenn man ihn brauchte, schien mittlerweile auch meine Gedanken lesen zu können. Er organisierte auf einem Proviantwagen, der im Troß mitgeführt wurde, einen bequemen Platz, der aus vier aneinandergereihten Liegen bestand. Es war eine willkommene Abwechslung, denn das Liegen entlastete die Gesäßmuskulatur – aber ich muß wohl nicht betonen, daß man sich auf diesen holprigen Straßen nur mit leerem Magen in einen Wagen legen durfte. Lucia leistete mir Gesellschaft. Zitternd stand sie da, während ihr der Speichel in langen Fäden hinuntertropfte. Dann sperrte sie das Maul weit auf, duckte sich und kotzte erbärmlich. Dennoch zog sie es vor, mir Gesellschaft zu leisten. Begleitet wurden wir von unzähligen Häduern, darunter auch Diviciatus. Er wollte seinen Männern beweisen, daß die römischen Legionen ihm zu Diensten waren. Er, der Häduer Diviciatus, würde die keltischen Sequaner von ihrem Joch befreien. Er war zurückgekehrt, mit römischen Legionen. In Wirklichkeit hatte ihm Cäsar die Begleitung befohlen, um auch den letzten seiner Offiziere davon zu überzeugen, daß er diesen Krieg nur auf Bitten der Häduer führte. Cäsar war fest entschlossen, den Krieg auf der ganzen Linie zu gewinnen.
Bereits nach drei Tagen meldeten Cäsars Späher, daß Ariovist mit allen Truppen aufgebrochen war, um Vesontio, die Hauptstadt der Sequaner, zu besetzen. Am Abend diktierte Cäsar einen Bericht, den er zusammen mit den bisherigen Kriegsberichten an Balbus übergab, und bat ihn, damit nach Rom zurückzukehren. Er mußte verständlich machen, wieso er Vesontio auf keinen Fall Ariovist überlassen durfte. Obwohl er jetzt noch viel weiter von der römischen Provinz entfernt war als damals vor Bibracte. Vesontio verfügte über Kriegsmaterial und Lebensmittel und war fast vollständig von einem Fluß umschlossen. Vom Dubis. Und dort, wo der Fluß fehlt, ragen steile Felsen in die Höhe, die zu einer massiven Festungsmauer ausgebaut worden waren. Deshalb eilte Cäsar in langen Märschen nach Vesontio. Einmal mehr hatte er sowohl seine Offiziere als auch seine Gegner überrascht.
Erschöpft lagerten die Männer innerhalb der Mauern von Vesontio. Cäsar hatte blitzschnell reagiert und sein Heer mit unglaublicher Schnelligkeit in die richtige Position gebracht. Was er hingegen noch nicht geschafft hatte, war, seinen ausgepumpten Soldaten klarzumachen, daß es ihr Krieg war. Und nicht sein Privatkrieg.
Die Männer waren total erschöpft und gereizt. Viele klagten über Blasen an den Füßen, schmerzhafte Rötungen an den Innenschenkeln und blutige Schürfungen an den Schultern. Es waren kleine Wunden, aber beim Marschieren äußerst schmerzhaft. Viele ließen ihrem Ärger beim geringsten Anlaß freien Lauf. Obwohl es keiner zugeben wollte, mißfiel vielen, daß man innerhalb eines keltischen Oppidums lagerte. Wo blieb da die Erholung, wenn man mit einem offenen Auge schlafen mußte? Die Gallier waren absolut unberechenbar. Aber um Ariovist zuvorzukommen, mußte Cäsar das Oppidum besetzen. Für die Centurionen wurde die Aufrechterhaltung der
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