Cäsars Druide
nicht selbst gesagt, daß es Roms Wunsch ist, das Ansehen seiner Freunde zu mehren? Wenn das römische Volk mir nun Tribut und Untertanen streitig machen will, so verzichte ich gerne auf seine Freundschaft. Ich werde aber dann noch mehr Germanen über den Rhenus holen. Zu meinem Schutz. Ich habe ein Anrecht auf Gallien. Ich war schon früher in Gallien als das römische Volk. Noch nie hat es ein römischer Prokonsul gewagt, seine Provinz zu verlassen. Was sucht dein Heer in Gallien? Was willst du hier, Cäsar? Warum dringst du in meine Gebiete ein? Gallien ist meine Provinz, so, wie die Provinz Narbonensis deine Provinz ist. Du hast kein Recht, hier zu sein, Cäsar. Du hast kein Recht, mir Vorschriften zu machen.
Ich weiß, daß ihr die Menschen außerhalb eurer Grenzen Barbaren nennt. Aber ihr unterschätzt uns. Ich beherrsche nicht nur eure Sprache und die der Gallier, ich bin mit den Verhältnissen in Rom durchaus vertraut. Und ich weiß, daß alle von dir zitierten Freundschaften nicht beständiger sind als ein Tropfen Wasser in der Sonne. Haben euch denn die Häduer geholfen, als ihr die Allobroger angegriffen habt? Habt ihr andererseits den Häduern geholfen, als sie von den Sequanern niedergemacht wurden?
Deshalb muß ich annehmen, daß du diese Freundschaften nur benutzt, um dein Heer nach Gallien zu bringen. Dein Heer dient nicht der Freiheit, sondern der Unterdrückung Galliens. Wenn du mit diesem Heer nicht abziehst, werde ich dich nicht mehr als Freund betrachten, sondern als Feind.«
Bei diesen Worten lächelte Ariovist breit und zeigte wieder sein kräftiges Gebiß. Seine Augen blitzten listig, als er fortfuhr: »Ich werde dich als Feind betrachten, Cäsar, dich, aber nicht das römische Volk und nicht den Senat von Rom. Denn ich habe unter den Vornehmen und Großen des römischen Volkes viele Freunde! Ich würde ihnen allen einen sehr großen Gefallen erweisen, wenn du hier den Tod finden würdest. Zahlreich sind die Boten aus Rom und Massilia, die täglich bei mir eintreffen und mir Geschenke und Briefe bringen. Wenn ich dich töte, Cäsar, wird mir die Gunst all dieser einflußreichen Männer in Rom und Massilia gewiß sein.«
Cäsar kochte vor Wut. Was Ariovist hier vortrug, war Wasser auf die Mühlen jener Offiziere, die behaupteten, er führe einen Privatkrieg. Cäsar hatte Ariovist vollkommen unterschätzt. Dieser Barbar pflegte offenbar ausgezeichnete Beziehungen nach Rom und Massilia.
Obwohl falsche Behauptungen durch ständige Wiederholung nicht wahrer werden, bestand Cäsar erneut darauf, seinen lieben Bundesgenossen in Gallien beistehen zu müssen. Überraschend zog er einen Quintus Fabius Maximus aus dem Ärmel, der bereits vor dreiundsechzig Jahren gegen die Arverner gekämpft und gesiegt hatte. Aber Rom habe den Arvernern verziehen, ihnen die Freiheit gelassen und auch keinen Tribut verlangt. Damit hätten die Römer also viel ältere Rechte und Ansprüche.
Die Pferde wurden allmählich unruhig. Wir spürten alle instinktiv, daß sich die Unterredung zuspitzte. Unten in der Ebene war einiges in Bewegung geraten. Germanen und Römer beschimpften sich in einem fort. Einige ritten bis auf wenige Schritte aufeinander zu und bewarfen sich mit Steinen. Fast gleichzeitig erschienen Reiter hinter Ariovist und Cäsar und meldeten die Vorfälle. Wütend und entnervt brach Cäsar die Unterredung ab, wendete sein Pferd, ohne sich von Ariovist zu verabschieden, und preschte, von seinen Offizieren und Dolmetschern begleitet, den Hügel hinunter. Dort erwartete ihn bereits die berittene zehnte Legion, die ihn in strengem Galopp ins Lager zurückbegleitete. Dort erhielten die Häduer wieder ihre Pferde.
Gegen Abend rief Cäsar die Legaten und Offiziere zusammen und berichtete ihnen detailliert über seine Unterredung mit Ariovist. Aufgrund der zahlreichen Zeugen war es ihm kaum möglich, Wichtiges zu unterschlagen. Man spürte aber, daß er über die Entwicklung nicht wirklich verärgert war. Er wünschte sehnlichst den Krieg gegen Ariovist. Mit jedem Tag konnte die Opposition innerhalb der Offiziere von neuem aufflammen. Nur ein Krieg würde dem Geschwätz ein Ende setzen und vollendete Tatsachen schaffen. Im übrigen entwickelten sich die Ereignisse für Cäsars Geschmack ohnehin viel zu schleppend. Denn in Gedanken war er bereits im Norden. Eifrig ließ er militärische Einzelheiten über die belgischen Stämme sammeln.
Zwei Tage später trafen erneut germanische Gesandte im Lager ein.
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