Cäsars Druide
und Schleimspuren der Heuchelei hinterlassen. Sie werden behaupten, daß sie nie Angst gehabt oder deine Fähigkeiten in Frage gestellt hätten. Sie werden dir sagen, daß sie darauf brennen, für Rom und das römische Volk in den Kampf zu ziehen.«
»Sagst du das, um mir einen Gefallen zu tun?«
»Das wäre töricht, Cäsar, denn in wenigen Augenblicken wirst du es wissen.«
Und tatsächlich meldete ein Prätorianer wenig später den Primipilus Lucius Speratus Ursulus. Er verneigte sich vor Cäsar und dankte ihm im Namen der zehnten Legion für das günstige Urteil, das Cäsar öffentlich über sie abgegeben hatte. Es war typisch für einen römischen Centurio, daß er von günstigem Urteil und nicht von Lob sprach. Hätte er strahlend von Lob gesprochen, man hätte es als unwürdige Prahlerei empfunden. Die Centurionen waren das Herz einer jeder Legion. Es waren ausschließlich Männer, die sich von ganz unten mit Mut, Tapferkeit und Ausdauer nach oben gekämpft hatten. Sie hatten aufgrund ihrer niedrigen Herkunft keinerlei Aussichten auf irgendwelche zivilen Karrieren. Die Legion war ihr Leben, ihre einzige Chance. Sie waren stolz auf diese männliche Lebensweise. Was zählte, war die Anerkennung der Legionäre, der Ehrgeiz der ranghöheren Offiziere, ihren Feldherrn zufriedenzustellen.
»Cäsar, wir können es kaum erwarten, für dich in den Kampf zu ziehen. Für dich geht die zehnte durchs Feuer.«
Cäsar ging auf den Primipilus zu und ergriff seinen Arm.
»Ich danke dir, Lucius Speratus Ursulus. Von jetzt an stehst du in Cäsars Gunst. Solltest du oder einer deiner Angehörigen jemals einen Wunsch haben, den ein Julier dir erfüllen kann, so wende dich an mich.«
Das war für den alten Centurio zuviel des Guten. Er war sichtlich bewegt, räusperte sich und schluckte hektisch. Dann verbeugte er sich knapp und bat Cäsar, ihm deswegen keinerlei Gunst zu gewähren, denn er habe nur aus Pflicht- und Ehrgefühl gehandelt. Und das sei die Aufgabe eines Primipilus und dürfe deshalb nicht belohnt werden. Eine Belohnung würde bedeuten, daß Cäsar sein Verhalten nicht für selbstverständlich halten würde. Und das würde ihn kränken und sein Ansehen bei den Legionären mindern.
Cäsar schien gerührt. »Dein Wunsch sei dir gewährt.«
Der Primipilus streckte den ausgestreckten Arm schräg in die Höhe und schrie sich die Erleichterung von der Seele: »Ave Cäsar! Ave Imperator!«
Mit dem ›Ave Imperator‹ hatte er natürlich noch eins draufgesetzt. Denn wenn Soldaten ihren Feldherrn mit ›Ave Imperator‹ grüßten, dann bedeutete dies, daß sie für ihn in Rom einen Triumphzug verlangten.
Wenig später kamen die Tribune und Legaten. Sie alle schworen Cäsar ewige Treue. Nicht Cäsar hatte Angst gehabt, Ariovist mit nur einer Legion entgegenzutreten, nein, die fünf übrigen hatten Angst gehabt, daß Cäsar sie auflöse. Als der letzte Offizier gegangen war, grinste Cäsar breit und schaute mich anerkennend an.
»Komm, Druide, der gallische Krieg geht weiter. Ich werde dir noch einen kurzen Abschnitt diktieren. Denn morgen brechen wir auf.«
Cäsar erwähnte in seinem Diktat alle Vorfälle und nannte auch die Ursachen. Aber er vermied es zu erwähnen, daß der Auslöser nicht nur die Angst vor den Germanen gewesen war, sondern die Haltung der Offiziere, die in Cäsars Einfall in Gallien keinen gerechten Krieg, keinen römischen Krieg, keinen offiziellen Krieg erkennen konnten. Er erwähnte nicht, daß zahlreiche Offiziere ihm vorwarfen, diesen unnötigen Krieg aus maßlosem Ehrgeiz, krankhafter Ruhmsucht und grenzenloser Geldgier zu führen. Doch Cäsar wäre nicht Cäsar gewesen, hätte er sich auch nur einen Augenblick länger als notwendig mit dem niedergeschlagenen Widerstand beschäftigt. Cäsar ließ durch Diviciatus, einem der wenigen Gallier, denen er vertraute, einen sicheren Weg auskundschaften, und brach dann um die vierte Nachtwache auf. Zuvor verfaßte ich noch einen Handelsbericht an Kretos und ließ ihn von einem römischen Kundschafter, der nach Genava aufbrach, mitnehmen.
Nachdem wir sieben Tage marschiert waren, erhielt Cäsar von seinen Kundschaftern die Nachricht, daß Ariovist mit seinen Truppen nur noch vierundzwanzig Meilen entfernt war.
Kaum hatten wir unser Marschlager aufgeschlagen, ritten bereits germanische Unterhändler ins Lager. Ariovist hatte dazu regelrechte Riesen ausgesucht. Sie trugen römische Offiziersstiefel! Die dunklen Wollhosen waren über den Knöcheln mit
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